Damenschneider
erfahren, ob sein Kollege mit seiner Befragung schon zu einem Ende gekommen war.
»Was ist denn hier los?«, rief er mit mächtiger Stimme. »Sind wir auf einem türkischen Basar oder was?«
Erschrocken hielten die Brüder inne und starrten auf den erbosten Inspektor, der sie um Haupteslänge überragte.
»Danke, Kajetan, Du hast mir gerade das Leben gerettet, oder zumindest mein Gehör«, sagte Walz erleichtert. »Darf ich vorstellen: die Brüder Öner. Ihre Schwester hast du ja bereits kennen gelernt.«
»Darf ich das also so verstehen, dass der Grund für diesen Lärm in der familiären Wiedersehensfreude zu suchen ist?«
»Nein, mit dieser Mutmaßung gehst du leider völlig fehl. Die Brüder Öner beschimpfen gerade ihr geliebtes Schwesterchen, weil sie nicht vergewaltigt worden ist. Zumindest nehme ich das an, da ich des Türkischen leider nicht mächtig bin.«
»Also, meine Herren, wenn Sie schon hier lärmen müssen, dann tun Sie das bitte auf Deutsch. Wir wollen ja auch etwas davon haben«, sagte Vogel streng.
»Das, was wir noch zu sagen haben, ist eine reine Familienangelegenheit, Herr Inspektor«, antwortete der ältere Bruder.
»Wenn mein Kollege nichts dagegen einzuwenden hat, sollten diese dann auch in ihrem Familienkreis besprochen werden und nicht in unserem Büro.«
»Ich habe eigentlich nur versucht, den Herren zu erklären, dass es auch noch andere Kulturen gibt als ihre eigene«, erklärte Walz seinem Kollegen, während er einen bedauernden Blick auf die nun völlig eingeschüchterte Ayse warf. »Aber leider war die Mühe vergebens, wie du siehst.«
»Können wir unsere Schwester jetzt mitnehmen?«, fragte der Ältere der beiden.
»Ich kann Sie nicht daran hindern. Allerdings sage ich Ihnen noch eines: Wenn Herbert Kern in der nächsten Zeit auch nur ein Härchen gekrümmt wird, werden wir uns als Erstes an Sie wenden – und dann werden wir nicht mehr so freundlich sein!«
Ohne die Inspektoren eines Blickes zu würdigen, nahmen die Burschen ihre Schwester am Arm und verließen rasch den Raum.
Als sie endlich wieder alleine waren, blies Vogel seine Backen auf und öffnete erst einmal das Fenster, da das ganze Büro von einem unsäglichen Geruchsgemisch aus süßlichem Herrenparfüm und Schweiß erfüllt war.
Während er seine Pfeife entzündete, unterrichtete ihn Walz über die Unterredung mit Ayse.
»Dann können wir den Kern eigentlich auch gleich heimschicken«, sagte Vogel, während er mächtige Rauchwolken ausstieß, »oder hast du noch Fragen an ihn?«
»Von mir aus kann er gehen, mir tut nur die kleine Ayse leid«, antwortete Walz in Gedanken versunken.
»Wenigstens muss sie kein Kopftuch tragen … Andererseits, hätte sie eines getragen, wäre unser jugendlicher Heißsporn wahrscheinlich gar nicht auf den Gedanken gekommen, mit ihr etwas anzufangen …«, meinte Vogel nachdenklich. »Von dieser Seite aus gesehen ist das, was die Öners machen, eigentlich inkonsequent.«
»Dieser Gedanke ist frauenrechtlich durchaus bedenklich, mein lieber Kajetan, wenn ich auch zugeben muss, dass er ein Quäntchen Wahrheit in sich trägt. – Also, was ist jetzt mit dem Bruchpilot von Mimi. Sollten wir den kennen?«
Vogel, der unterdessen wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, breitete die Papiere aus, die diesen Fall betrafen.
»Nicht wirklich. Interessant ist nur, dass seine hauptsächliche Beschäftigung darin zu bestehen scheint, sich in Unfälle zu verwickeln. In den letzten paar Monaten hatte er gleich mehrere davon – und war jedes Mal unschuldig.«
»So lange die Versicherungen bezahlen, ist das ein Bombengeschäft. Aber er kann doch nicht jedes Mal das gleiche Auto benutzen, oder chauffiert er einen Panzer durch Wien?«
Vogel überflog die vor ihm liegenden Computerausdrucke, während er leise seine Lippen bewegte.
»Na ja, bei den letzten 15 Unfällen hat er drei Autos verschlissen.«
Anerkennend nickte Walz mit dem Kopf.
»15 zu 3, das bedeutet 5 zu 1 für den Fiedler, so ein Auto will ich auch! Und was sagen die Versicherungen dazu?«
»Nix. Die haben bisher immer brav bezahlt. So lange niemand eine Anzeige gemacht hat, konnte er ja ganz gut damit leben …«
»Aber damit ist jetzt Schluss! Den Bruchpiloten will ich einmal kennen lernen, schließlich will ich wissen, welches Auto er bei seiner Arbeit bevorzugt …«
Zufrieden setzte Vogel seine erloschene Pfeife wieder in Brand.
»Die Vorladung lassen wir unsere Mimi machen, die hat schließlich
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