Damenschneider
Hund streng auf sein Lager, wobei er den größten Wert darauf legte, seine Ehefrau nicht zu wecken, die in der Unbotmäßigkeit des Hundes wohl eine willkommene Gelegenheit gefunden hätte, ihren Gatten erneut »der Töle« wegen zu beschimpfen.
Das Tier ließ sich zwar vorderhand davon überzeugen, allerdings wachte Vogel wenige Stunden später erneut auf. Der Grund dafür lag in seiner erheblich beschnittenen Bewegungsfreiheit. Nicht nur, dass sein neben ihm ruhendes Weib einen großen Teil des eigentlich geräumigen Doppelbetts beanspruchte, das war er immerhin gewöhnt, nein, auch von der anderen Seite drängelte es erheblich. Doch sein Wille zum Widerstand war um diese nachtschlafende Zeit einfach zu schwach ausgeprägt. Auch sein Versuch, auf dem ihm verbliebenen schmalen Streifen wieder in den Schlaf zurückzufinden, war zum Scheitern verurteilt. Jegliche Pädagogik im Umgang mit einem Hund vermissen lassend, floh er nach einiger Zeit des Herumwälzens auf kleinstem Raum die Bettstatt, um sich nunmehr auf dem wohnzimmerlichen Sofa einzurichten. Allerdings war dieser Gang mit großen Opfern verbunden, denn die wärmende Daunendecke konnte er nur schwerlich mitnehmen, da er in diesem Fall seine wie ein Stein schlafende Gattin entblößt hätte.
Auch wenn Emily einer leichtsinnigen Spezies der Caniden angehörte, war sie doch in erster Linie ein Hund. Dessen Treue sprichwörtlich ist. Offensichtlich wusste sie aber auch, dass sich die wahre Qualität dieser Tugend erst in schwerer Zeit erweist. Von diesem hündischen Ehrenkodex getragen, zögerte sie natürlich keinen Augenblick, auch den schweren Gang zum Sofa mit ihrem Herrn zu teilen.
Verzweifelt und gerührt zugleich über eine solche Anhänglichkeit, bat Vogel also den Hund unter das leichte Plaid, das auf dem Sofa bereit lag. Allerdings, da lediglich für ein Nachmittagsnickerchen gedacht, wärmte dies nicht wirklich. Doch dafür immerhin hatte er die sehr angenehm temperierte Emily an seiner Seite, die er fest an seinen zitternden Körper zog, worauf er schon bald in einen allerdings nur sehr oberflächlichen Schlaf fiel.
Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass Vogel am nächsten Morgen völlig übermüdet sein Büro betrat.
Was seinem bestgelaunten Kollegen Walz, der gerade einige bemerkenswerte Stunden mit einer neuen Bekanntschaft verbracht hatte, natürlich sofort auffiel.
»Wer hat denn dir so zugesetzt in der letzten Nacht, Kajetanus meus? Frau, Kind oder Hund? Bist du dir eigentlich dessen bewusst, dass du mit dem Kauf eines Vierbeiners mit einem Schlag die möglichen Ursachen deines Missmuts veranderthalbfacht hast?«
Müde winkte Vogel ab.
»Was heißt veranderthalbfacht – potenziert wäre der richtige Ausdruck. Aber, du wirst es nicht glauben, der Hund ist wirklich entzückend. Wenn er nur nicht so treu wäre …«
Gerade wollte Kajetan die letzte Nacht schildern, als Mimi Hawranek empört ins Büro gestürzt kam. In ihrer Rechten hielt sie eine Zeitung, die sie heftig hin- und herschwenkte.
»Mimi? Schon wieder?«, fragte Walz erstaunt.
»Es ist einfach unglaublich!«, prustete sie und ließ sich schwer auf einen Sessel sinken.
Kommentarlos stand Walz auf und brachte ihr ein Glas Wasser.
Nachdem sie es gierig getrunken hatte, atmete sie noch ein paar Mal durch, bevor sie ihrer Empörung Luft machen konnte.
»Jetzt stellt euch das einmal vor. Fahre ich heute Morgen mit der U-Bahn, da ich kein Auto mehr habe, bleibt mir ja nichts anderes übrig … Und dort gibt es so eine Gratis-Zeitung. Und jetzt schaut euch das einmal an!«
Zitternd vor Entrüstung zeigte sie unter der Rubrik »Unser Leserreporter« auf ein Foto eines Autounfalls, das offensichtlich direkt nach dem Zusammenstoß gemacht worden war, denn beide Fahrer saßen noch hinter ihrem Steuer. Was Mimi daran so erregte, war die Tatsache, dass es ihr eigener Unfall war, der so unvermutet in das allgemeine Interesse gerückt wurde. Ein Zweifel war völlig ausgeschlossen, zumal im Begleittext die Uhrzeit und der Ort, an dem sich die Karambolage ereignet hatte, angegeben waren. Zudem erkannte sie die daran beteiligten Autos wieder.
»Es hat also doch einen Zeugen gegeben! Doch anstatt sich zu melden, macht der Kerl sich mit einem Foto davon, das er dann auch noch für 100 Euro versilbert. Das ist doch einfach infam!«
Staunend lasen die Kriminalisten den daneben stehenden Aufruf an die Leser, die dazu eingeladen wurden, »aktuelle Fotos von Polizeieinsätzen,
Weitere Kostenlose Bücher