Damenschneider
war gerührt.
2. Kapitel (Dienstag)
Am nächsten Morgen fühlte sich Kajetan Vogel wie zerschlagen.
Und das mit gutem Grund.
Der Greyhound, dem sein englischer Vorbesitzer den Namen »Emily« gegeben hatte, war seit ihrer ersten Begegnung nicht mehr von der Seite seines neuen Herrchens gewichen. Auch bei der Heimfahrt hatte das neue Familienmitglied immer wieder Anstalten gemacht, seinem chauffierenden Eigner auf den Schoß zu kriechen, von der Rückbank aus, versteht sich. Da halfen auch die verzweifelten Bemühungen der kleinen Laura nichts, die das Tier immer wieder mit zärtlichen Küssen davor zurückzuhalten suchte. Sehr zum Unwillen von Martina Vogel, die jedes Mal entsetzt aufschrie, wenn sich der Hund gegen das Mädchen durchgesetzt hatte und nach vorne drängte.
Dies hatte zur Folge, dass der von seiner zeternden Gattin schon bald entnervte Inspektor den nächst gelegenen Parkplatz ansteuerte, um ihr das Volant zu überlassen und sich nach hinten zu Hund und Tochter zu setzen, zur großen Freude von Emily, wie man sich denken kann. Die Küsserei (von Laura zu Emily) und Schleckerei (von Emily zu Kajetan) wollte fortan kein Ende nehmen, was Martina, die ihre Lieben ständig im Rückspiegel beobachtete, schon bald angewidert als »völlig unhygienisch« bezeichnete.
Offensichtlich hatte Emily einen großen Nachholbedarf an Zärtlichkeiten, denn auch nach einem ausgedehnten Spaziergang durch den Hörndlwald (der eigentlich näher gelegene Lainzer Tiergarten war für Caniden aller Art gesperrt), der Martina einigermaßen versöhnte, hatte sie doch schon seit Jahren immer wieder solche Familienunternehmungen vergeblich angemahnt, wich der Hund nicht von der Seite seines erwählten Rudelführers. Was diesem durchaus recht war, schließlich hatte er große Bedenken wegen eines möglichen Zusammentreffens mit Wildtieren aller Art und seinem jagdfreudigen Windhund gehabt.
Nach einem gemeinsam eingenommenen Abendessen, auch Emily bekam ihren Napf, wenn auch neben dem Tisch, wurde die widerstrebende Tochter von ihrer Mutter zu Bett gebracht, während Vogel seinem neu gewonnenen Begleiter die unmittelbare Umgebung seines nunmehrigen Heims zeigte, nicht ohne ein Plastiksackerl einzustecken, um gegebenenfalls die organischen Hinterlassenschaften seines Vierbeiners fußgängerfreundlich entsorgen zu können. Damit wollte er sich wohltuend vom Großteil seiner Hunde haltenden Wiener Mitbürger unterscheiden, die die hierorts so genannten »Hundstrümmerl« üblicherweise genau dort beließen, wo ihr Erzeuger sie zurückgelassen hatte.
Der Spaziergang dauerte allerdings ein wenig länger als ursprünglich veranschlagt, denn eine Begegnung zwischen Hundebesitzern erfolgt nur in den seltensten Fällen kommentarlos, was vor allem dann der Fall ist, wenn man über ein so kontaktfreudiges Tier verfügt wie unser Inspektor. Denn Emily zeigte sich auch im Umgang mit ihren Artgenossen keineswegs verschreckt, sondern lief auf jeden wie immer gearteten Köter mit freundlich erhobenem Schwanz zu, um den obligatorischen Geruchsaustausch zu vollziehen. So lernte Vogel, der immerhin schon bald zehn Jahre in dieser Gegend wohnte, sich aber bislang kaum um seine Nachbarn gekümmert hatte, an einem einzigen Abend mehr Anrainer kennen als in den fünf Jahren davor. Die damit aufkeimende Hoffnung, möglicherweise auch auf eine attraktive Hundehalterin zu treffen, trog allerdings. Den Bekanntschaften nach zu schließen, die er heute Abend gemacht hatte, war der Besitz eines Hundes offensichtlich nur für Männer und ältere Damen erstrebenswert.
Selbst diese fürwahr niederschmetternde Erkenntnis vermochte jedoch seine gute Laune nicht zu verderben, empfand er doch ein ausgesprochenes Vergnügen an dem fröhlichen Naturell seines neuen Freundes.
Dies jedoch sollte sich bald ändern.
Denn kaum war man zu Bett gegangen, das Lager des Tieres war nach den Empfehlungen des hinzu gezogenen Hundebuchs in einer lauschigen Ecke des Schlafzimmers eingerichtet worden, spürte er, wie sein neuer Freund auch in der Nacht seine Nähe suchte. Gerade als Vogel im Begriff war, in tiefere Schlafschichten einzutreten, bemerkte er, wie sich etwas Haariges unter seiner Decke breitzumachen suchte. Gleichwohl seine Nähe ihn wärmte, was ihm angesichts der unwirtlichen Jahreszeit, – es war gerade November geworden, – im Grunde nicht unwillkommen war, befand der schlaftrunkene Inspektor dennoch, dass dies definitiv zu weit ginge und verwies den
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