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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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ganze Zeit ihre Hand hielt.
    Und Walz nahm einen großen Schluck Rotwein.
    »Ja, es war tatsächlich Bilovic gewesen«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort, »der dem Drängen von Irmgard nachgegeben hatte, und ihren Sohn … kastriert hat. Clara hat mir vorhin erzählt, welche Träume Irmgard mit der Karriere ihres Sohnes verbunden hatte. Sicherlich hat sie den Bojan so lange bearbeitet, bis der nicht mehr widerstehen konnte. Schließlich war sie eine vermögende Frau … Nachdem ich das erfahren hatte, habe ich mich natürlich kontinuierlich von Irmgard zurückgezogen. Mit Florian traf ich mich weiterhin, wir führten halt eine Beziehung ohne Sex. Das ging aber nicht lange gut, da Florian auf jeden Mann, der mich nur anschaute, mit einer so rasenden Eifersucht reagierte, dass ich mich schon sehr bald von ihm trennen musste. Das war der reine Terror, den er mit mir aufführte. Jedes Mal, wenn er mich nicht erreichte, glaubte er, ich hätte Sex mit einem anderen. Sogar meinen Chef hat er direkt attackiert und ihn gefragt, wie es ihm denn mit mir gefalle. Ob ich es ihm auch richtig besorge. Schrecklich war das. So demütigend. Und dann ist die Irmgard plötzlich gestorben. Nach einer Operation vom Bilovic. Darin sah ich die einmalige Chance, den Bojan dranzukriegen. Das hatte ich damals tatsächlich noch vor, trotz Florians unmöglichem Verhalten, von dem ich damals schon getrennt war. Doch der wollte von einer Obduktion nichts wissen, weil dann wahrscheinlich herausgekommen wäre, was Bojan mit ihm gemacht hatte. Übrigens war er auf ihn besonders eifersüchtig, weil der mir – auch in Florians Anwesenheit – offensiv den Hof machte. Das verletzte Florian natürlich in besonderem Maße, und eines Tages machte er mir eine so schreckliche Szene, dass ich schon fast um mein Leben fürchten musste. Als ich ihm glücklich entronnen war, machte mich das im Nachhinein so zornig, dass ich einen infamen Plan schmiedete. Ich beschloss, seinem ewigen Misstrauen endlich eine Grundlage zu geben. Ich wollte ihm einfach ins Gesicht schreien können: ›Ja, ich schlafe mit Bojan! Und?‹ So weit hatte er mich mit seinen Attacken gebracht. Und glaubt mir, es war ein Leichtes, Bojan ins Bett zu kriegen. Ich weiß, es klingt verrückt, aber irgendwie machte es mir sogar Spaß, obwohl ich ihn für das, was er mit Florian gemacht hatte, und was eigentlich die Grundlage für dessen wahnsinnige Eifersucht auf jeden Mann war, verabscheute. Aber es gefiel mir irgendwie, mich von solch einem skrupellosen Mann vögeln zu lassen. Mir selbst redete ich ein, dass ich ihn ja jederzeit ans Messer liefern könnte. Und er war so verliebt in mich, der grausame Bojan. Alles hätte ich von ihm haben können – und dementsprechend behandelte ich ihn auch. Ich gebe zu, dass dies nicht gerade eine Ruhmestat von mir war …«
    Hier unterbrach sie ihren Monolog, um einen Schluck Wasser zu trinken.
    »Und just in diesem Zeitraum traf ich dich, Alfons. Unter solch seltsamen Umständen, die ich prompt als Wink des Schicksals angesehen habe. Wenn es mir gelungen wäre, dich so weit zu bringen, dass du eine Exhumierung anordnest, hätte ich genüsslich dabei zugeschaut, wie der Bojan über die Klinge springt. Damit wäre dann mein Gewissen wieder beruhigt gewesen. Seltsam, nicht?«
    Nun schwiegen alle, jeder hing seinen Gedanken nach. Das einzige Geräusch, das die jetzt nahezu körperlich fühlbare Stille durchbrach, war das aufgeregte Bellen zweier Hunde auf der Straße.
    Walz, der sich mit einem so großen Schluck Rotwein gestärkt hatte, dass Clara wortlos nachschenkte, war der Erste, der das Wort ergriff.
    »Bei unserem gemeinsamen Abendessen nach seinem Konzert erschien er mir aber nicht so rasend eifersüchtig …«
    »Na, du hättest ihn auf der Heimfahrt hören sollen. Er ist sogar noch mit mir ausgestiegen und hat das Taxi warten lassen, um zu erfahren, in welchen Stellungen ich es mit dir schon getrieben habe.«
    »Ich habe ihn auch nie so erlebt«, warf Clara ein, »aber Elisabeth erzählte mir, dass er nur vor Unbekannten so ausrastete.«
    »Aber bei dem Konzert hast du ihn geradezu emphatisch bewundert, bist ja sogar in sein Künstlerzimmer geeilt, um ihm zu gratulieren«, sagte Walz.
    »Weißt du, wenn er sang, war er ein anderer, da war er die Sanftmut in Person, der Mensch eben, den ich geliebt hätte, wenn es zwischen uns weitergegangen wäre … Und irgendwie war ich es ihm schuldig, dass ich ihm bei seinem ersten großen Auftritt in Wien

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