Damenschneider
gelungenen Vernehmung, ganz eines Oberinspektors würdig. Hätt’ ich nicht besser machen können.«
Das Lob seines zum Sarkasmus neigenden Kollegen berührte Walz seltsam. Unsicher schaute er zu ihm hinüber, jedoch schien es diesem damit ernst gewesen zu sein. Während der Fahrt unterrichtete Walz seinen Freund von den Erzählungen Claras über den schwierigen Charakter von Irmgard Rost und das eigenartige Verhältnis zu ihrem Sohn.
»Eines kann man jetzt schon sagen, der Bilovic war ein ordentlicher Stecher«, meinte Vogel, nachdem sie in dem gemütlichen Beisl, das sich unweit von Walzens Wohnung befand, Platz genommen hatten. »Dabei war der doch gar nicht mehr so jung. Also, ich glaub’, in dem Alter wär’ mir das zu viel. Ist dir übrigens was aufgefallen? Sowohl die Marthaler als auch die Neuhold behaupteten, am Vorabend seines Todes beim Bilovic gewesen zu sein. Wenn die keinen Dreier geschoben haben, was ich angesichts der doch grundlegend verschiedenen Beschaffenheit der Damen ausschließe, lügt eine von den beiden. Oder hältst du es für möglich, dass er beide …? An einem Abend …? Nacheinander?«
»Er war ja Arzt … weiß man’s … Der eine hält sich eben mehrere möglichst junge Freundinnen, der andere kauft sich einen Hund. Die Midlife Crisis treibt halt die absurdesten Blüten. Außerdem weiß ich nicht, ob ich mit solch einem Beruf so viel schnackseln könnt’. Als Damenschneider musst du dir doch dauernd vorstellen, wie es drunter ausschaut.«
»Das ist fürwahr eine entsetzliche Vorstellung …«, antwortete Vogel, während Walz der reizenden blonden Kellnerin zuwinkte, die auch gleich an den Tisch trat. »Liebe Karin, ich bräuchte heute was wirklich Nahrhaftes, der Tag hat mich doch sehr geschwächt. Eine große Portion Kässpätzle und eine ebenso große Portion Bier dazu.«
»Und mir«, sagte Vogel genießerisch, »bitte ein großes Fiakergulasch mit einem, oder nein, zwei Würstel drauf und einem Spiegelei drüber. Getränkemäßig erkläre ich mich mit meinem Freund solidarisch.«
»Dafür, dass du zu Abend gegessen hast, sind das aber beachtliche Mengen, Kajetanus meus«, sagte Walz verwundert.
»Wie du weißt, o du mein Walz, gibt es nichts, was nicht in einen eingeladenen Beamten hineingeht. Außerdem sind die Gemüselaibchen meiner Frau nicht gerade dazu angetan, einen Mann meiner Statur ausreichend zu ernähren. Was glaubst du, wie viel Kalorien ich bei den Spaziergängen mit der Emily verbrenne. Ich hab’ glatt schon ein Kilo abgenommen«, sagte Vogel, während er wohlgefällig an sich herabsah.
»Im Ernst, was denkst du über die wilde Geschichte von der Elisabeth mit unserem serbischen Potenzprotz?«
Bedächtig stopfte sich Vogel eine Pfeife, die er seinem Etui entnommen hatte.
»Irgendetwas stinkt bei der ganzen Sache. Alleine die Tatsache, dass sie einen Anwalt zu einer harmlosen Befragung hinzugezogen hat, erscheint mir doch, gelinde gesagt, ein wenig übertrieben.«
»Die Elisabeth ist ja nicht dumm, und durch die Obduktionsgeschichte hat sie sich schon verdächtig gemacht, das weiß sie genau. Daher würde ich das nicht überbewerten. Aber dass dieses unschuldige Mädchen, als das sie sich mir gegenüber immer gerierte, sich mit einem solch windigen Knacker eingelassen hat, das erscheint mir doch seltsam …«
»Offensichtlich hatte er was, was du nicht hast … Vielleicht waren es die sprichwörtlichen Chirurgenhände, die sind ja an präzise Arbeit gewöhnt. Möglicherweise kannte er auch sexuelle Praktiken, von denen wir noch nicht einmal gehört haben. In seinem Metier weiß man ja schließlich genau, wo die empfindlichen Nerven liegen. Oder hast du es schon einmal in einem OP getrieben? Mit all dem Besteck, das da herum liegt … Das muss ja herrlich sein! Doktorspielchen auf Serbisch.«
»Wenn ich nur an diesen Operationssaal vom Bilovic denke, reicht es mir«, antwortete Walz, die Augen verdrehend. »Und wie es da drinnen erst gestunken hat … Ich bin ja für vieles offen, aber … «
»Nicht jeder ist eben so feinfühlig wie du. Wenn der in Serbien tatsächlich Arzt in einem Folterlager war, dann hatte er bestimmt eine hohe Reizschwelle. Wer weiß, was dazu nötig war, ihn zu erregen. Hast du nichts von den Filmen vom Karadzic gelesen, die die Ermittler bei ihm gefunden haben? Mit ihm in der Hauptrolle und einigen weiblichen Nebendarstellern. Beim Anschauen ist selbst den hartgesottensten Kollegen übel geworden. Schwester Elisabeth,
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