Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches
alte Newsletter von der Gemeinde horteten. Manche Leute sammeln Autos oder Kleidung. Sie konnten keine gute Idee unarchiviert lassen.
Einmal sagte ich, dass ich nicht wie Sie, dass ich kein Mann Gottes sei. Sie fielen mir ins Wort und behaupteten, ich sei sehr wohl ein Mann Gottes. Und Sie sagten, ich würde auf jeden Fall etwas zu sagen wissen, wenn der Tag gekommen sei.
Doch nun ist er gekommen, und Sie sind nicht mehr da.
Und diese Synagoge scheint so leer wie eine Wüste.
Aber gut, fangen wir mit den Lebensdaten an, denn die gehören zu jeder ordentlichen Trauerrede. Sie wurden während des Ersten Weltkriegs in New York geboren; Ihre Familie war schrecklich arm, und Ihr Vater fuhr einmal mit der Eisenbahn nach Alaska – ohne dabei auch nur einen Bissen unkoscheres Essen zu sich zu nehmen. Ihr Großvater und Ihr Schwiegervater waren Rabbiner – überall in Ihrer Familie gab es Rabbiner –, aber Sie wollten lieber Geschichtslehrer werden, weil Sie gerne unterrichteten. Später besuchten Sie das Rabbinerseminar, scheiterten aber. Doch dann sagte ein großer jüdischer Gelehrter die Worte, die Sie später bei vielen von uns wiederholten: »Versuchen Sie es noch einmal.«
Und das taten Sie. Gott sei Dank.
Für junge Rabbiner war es damals gang und gäbe, nach Kalifornien zu gehen, weil es dort reiche und rasch anwachsende Gemeinden gab. Doch Sie gingen stattdessen nach New Jersey, zu einer Gemeinde, die auf dem letzten Loch pfiff und deren Synagoge nur ein umgebautes Wohnhaus war. Das taten Sie, weil Sie sich – wie Jimmy Stewart in Ist das Leben nicht schön? – verpflichtet fühlten, in der Nähe Ihrer Eltern zu bleiben. Und wie James Stewarts Figur in diesem Film blieben auch Sie an diesem Ort und errichteten hier dieses Gemeindehaus. Manche würden vielleicht sagen, Sie hätten es auf dem Rücken getragen.
Durch Ihre Betreuung entwickelte es sich von einem umgewandelten Wohnhaus zu einer blühenden Stätte für die Gemeinde – zwischen zwei Kirchen, was gewiss nicht die einfachste Lage ist. Doch Sie verstanden es immer, Frieden zu schließen. Als ein katholischer Priester aus einer der Kirchen eines Ihrer Gemeindemitglieder beleidigte, verlangten Sie von dem Priester, dass er sich entschuldigen solle. Als er das tat, nahmen Sie seine Versöhnungsgeste an. Und als die katholischen Kinder in die Pause gingen, spazierten Sie mit dem Priester Arm in Arm über den Schulhof und demonstrierten so, dass verschiedene Religionen tatsächlich harmonisch Seite an Seite leben können.
Sie standen für uns ein, Sie schufen eine heilige Gemeinde, bauten unsere Schule und die Gemeinde auf, bis das Haus zu eng wurde. Sie leiteten Märsche und Exkursionen. Sie machten unzählige Hausbesuche.
Sie waren ein Geistlicher des Volkes, der sich niemals über das Volk erhob, und die Menschen kamen zu Ihren Gottesdiensten geströmt, als sei es eine Sünde, sie zu versäumen. Ich weiß, dass Sie den Lärm nie leiden konnten, wenn danach alle schwatzend hinausgingen. Aber bedenken Sie doch nur, Rebbe, in wie vielen Synagogen das der Fall ist, bevor die Predigt beginnt!
Nachdem Sie als Rabbiner sechs Jahrzehnte durchlebt hatten, verließen Sie schließlich die Estrade, und anstatt nach Florida zu ziehen, wie viele es tun, ließen Sie sich einfach in der letzten Bank dieser Synagoge nieder. Das war eine bescheidene Geste, aber Sie gehörten letztendlich ebenso wenig in die letzte Reihe dieses Gotteshauses wie die Seele in den Rücken gehört.
Dies ist Ihr Haus, Rebbe. Sie sind hier in den Deckenbalken, den Wänden, den Lampen. Sie sind in jedem Echo auf den Gängen. Wir hören Sie jetzt.
Und wie soll ich – wie sollen wir alle hier – Sie gehen lassen? Sie sind mit uns verwoben, von der Geburt bis zum Tode. Sie haben uns unterrichtet, verheiratet, getröstet. Sie waren ein Meilenstein in unserem Leben. Sie haben uns Mut gemacht, wenn uns Tragödien ereilten, und wenn wir Gott zürnten, schürten Sie die Glut unseres Glaubens und riefen uns in Erinnerung – wie ein geachteter Mann einst sagte –, dass nur ein gebrochenes Herz auch ein heiles Herz ist.
Schauen Sie nur, wie viele gebrochene Herzen es hier heute gibt. Schauen Sie sich all die Gesichter an. Mein ganzes Leben lang hatte ich nur einen Rabbiner. Ihr ganzes Leben lang hatten Sie nur eine Gemeinde. Wie sollen wir von Ihnen Abschied nehmen, ohne von einem Teil unserer selbst Abschied zu nehmen?
Wo sollen wir nun nach Ihnen Ausschau halten?
Wissen Sie noch, Rebbe,
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