Damon Knight's Collection 07 (FO14 )
Minuten des Films kam es zu einer Schlägerei zwischen zwei in Skelettanzügen gekleideten Gestalten, einem echten und einem falschen Kiling. Einer wurde von dem metallenen Gerüst des Neubaus in den Tod gestürzt. Bestimmt der Bösewicht – aber war nun der echte oder der falsche Kiling umgekommen? Und außerdem, wer von den beiden hatte die Sängerin in ihrem Schlafzimmer erschreckt, den alten Arzt erwürgt, die Tasche gestohlen?
»Hat Ihnen der Film gefallen?« erkundigte sich Altin, als sie in der Menschenmenge dem Ausgang zustrebten.
»Ja.«
»Und Sie haben verstanden, was die Leute sprachen?«
»Einiges schon. Jedenfalls genug.«
Altin sprach eine Weile mit Yavuz, der wiederum in schnellem Türkisch auf seinen neuerworbenen Freund aus Amerika einredete.
Der schüttelte entschuldigend den Kopf. Altin und Yavuz lachten.
»Er sagte, daß Sie beide den gleichen Anzug anhaben.«
»Ja, das fiel mir auf, als das Licht anging.«
»Wohin wollen Sie jetzt, Mr. Harris?«
»Wie spät ist es?«
Sie standen vor dem Lichtspielhaus. Der Regen hatte sich in leichtes Nieseln verwandelt. Altin schaute auf die Uhr. »Sieben Uhr und eine halbe Stunde.«
»Ich muß jetzt nach Hause.«
»Wir kommen mit Ihnen und kaufen eine Flasche Wein. Ja?«
Er schaute Yavuz unsicher an. Yavuz lächelte.
Und wenn sie auch heute abend kam und an seine Tür klopfte und nach Yavuz rief?
»Heute lieber nicht, Altin.«
»Nein?«
»Mir ist nicht gut.«
»Ja?«
»Ich bin krank. Ein bißchen Fieber. Ich habe Kopfschmerzen.« Er legte die Hand dramatisch an die Stirn, und dabei fühlte er, daß er tatsächlich Fieber und Kopfschmerzen hatte.
»Ein andermal, vielleicht. Tut mir leid.«
Altin zuckte skeptisch die Achseln.
Er schüttelte erst Altin die Hand, dann Yavuz. Es war nicht zu übersehen, daß er sie beide gekränkt hatte.
Auf dem Rückweg zu seiner Wohnung machte er einen Umweg und vermied die dunklen Seitenstraßen. Die Musikuntermalung des Films klang noch in ihm nach, wie der Geschmack eines Likörs auf der Zunge, unterstrich den Rhythmus der Autos und der Menschenmenge, den Kontrast der Scheinwerfer und der beleuchteten Schaufenster. Einmal, als er aus dem Kino in der Achten Straße nach Jules et Jim gekommen war, hatte er im Geiste alle Straßenschilder in Greenwich Village ins Französische übersetzt, als beherrsche er die Sprache; und nun vermittelte ihm die gleiche Verzauberung den Eindruck, er könne die Gesprächsfetzen der Passanten verstehen. Der Inhalt eines herausgerissenen Satzes wurde mit selbstverständlicher, unreflektierter Unmittelbarkeit registriert, daß sich das Wesen der Worte als Tatsache mit dem Wesen der Dinge verband. Einfach so. Jeder Knoten des verschlungenen Netzes der Sprache glitt an seinen Platz, ohne daß es einer Erklärung bedurfte. Und dabei paßte jede Nuance eines Blickes oder einer Modulation wie ein maßgeschneiderter Anzug zu den Konturen des jeweiligen Augenblicks, dieser Straße, dieser Beleuchtungs, seines Bewußtseins.
Beschwingt von diesem Einfühlungsvermögen bog er schließlich in seine spärlich beleuchtete Straße ein und ging fast an der Frau vorbei – die wie die anderen Elemente der Szene unauffällig gut zu der Ecke paßte, an der sie wartete –, ohne sie zu bemerken.
»Sie?« sagte er und blieb stehen.
Sie standen vier Schritte voneinander entfernt und musterten sich genau. Vielleicht war sie auf diese Begegnung ebensowenig vorbereitet wie er.
Ihr dichtes Haar war in steifen Wellen von der niederen Stirn zurückgekämmt und rahmte ihr schmales Gesicht an beiden Seiten ein. Pockennarbige Haut, und um die blassen Lippen die Falten von angestrengter Konzentration. Und Tränen – ja, Tränen – in den Augenwinkeln ihrer starren Augen. In der einen Hand hielt sie ein kleines, in Zeitungspapier verschnürtes Paket, mit der anderen raffte sie die weiten Röcke zusammen. Sie trug anstelle eines Mantels einige Lagen Kleider übereinander, um sich gegen die Kälte zu schützen.
Eine leichte Erektion regte sich und verfing sich in seiner baumwollenen Unterhose. Er errötete. Als er einmal ein Taschenbuch von Krafft-Ebing gelesen hatte, war ihm das gleiche passiert. Damals war eine Beschreibung von Nekrophilie die Ursache gewesen.
Lieber Gott, dachte er, wenn sie es merkt.
Sie flüsterte ihm mit niedergeschlagenem Blick etwas zu. Ihm, Yavuz.
Er solle mit ihr heimkommen … Warum wollte er … Yavuz, Yavuz, Yavuz … sie brauchte ihn … und sein Sohn …
»Ich
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