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Damon Knight's Collection 10 (FO 19)

Damon Knight's Collection 10 (FO 19)

Titel: Damon Knight's Collection 10 (FO 19) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon (Hrsg.) Knight
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überlagerte, das Dunkel vertrieb, die Sterne verscheuchte. Und ich erinnere mich an den Blick einer Frau, wenn sie liebt, und an das Schnurren eines Kätzchens, wenn es glücklich ist, und an die Schneeflocken, die an einer warmen Fensterscheibe im Winter zerfließen und schmelzen. Ich erinnere mich. Ich erinnere mich.

Ibem
 
(Gene Wolfe)
     
     
    Ich liege, ich sage es nochmals, im Dunkel; im Dunkel der Hütte, die Mark aus gefrorener Erde und festgestampftem Schnee errichtet hat. Der Trafo meines Versorgungssystems ist auf 0,06 heruntergeschaltet, und ich muß sterben. Meine Kennziffer, ich sage es nochmals, ist 887332, und meine Freunde nennen mich Ibem.
    In meinem Innern, das weiß ich, kreisen meine Worte in langsamen Windungen, wie sie es immer getan haben; ich dachte nie, daß das einmal wichtig sein würde – wenn man jung ist, glaubt man, daß man ewig lebt. Ich erinnere mich noch ganz deutlich, wie der alte Cedece dieses aufgerollte Band beschrieb, das wir alle in uns haben. (Ich glaube, die niedrige Spannung hat all diese Erinnerungen hervorgerufen, auch wenn mir nicht klar ist, weshalb; Speicher-Chips, die noch einmal hell aufleuchten, bevor der Funke verglüht.) Ein Band läuft ununterbrochen, hatte Cedece gesagt, und zeichnet die Gespräche der letzten halben Stunde auf, und dann, wenn Anfang und Ende sich überlagern, wird die untere Aufzeichnung automatisch gelöscht, so daß immer nur die letzte halbe Stunde bleibt. Der Gedanke, so erzählte er uns, sei bereits über hundert Jahre alt und habe erstmals Anwendung gefunden, als man die letzten Signale jener pittoresken Strahltriebwerke aufzeichnete, die noch Sauerstoff verbrannten.
    Cedece war der Hauptausbilder meiner Gruppe im Hort, und ich sah zu ihm auf. Von ihm möchte ich jetzt sprechen, und selbst wenn es euch nicht paßt, weil ihr zu wenig über die Ursachen meines Todes erfahrt, was könnt ihr dagegen tun? Ich werde außer Reichweite eurer rachsüchtigen Umprogrammierung sein, ohne Spannung, Verstand und Gedächtnis auf Null abgesunken.
    Um die Wahrheit zu gestehen, ich habe während der letzten achtzehn bis zwanzig Stunden, die ich hier im Dunkel liege und rede, vieles gesagt, was euch nicht passen würde. Jawohl, ich rede, auch wenn die Spannung in meinem Sprechsystem so niedrig ist, daß Mark, der ein paar Schritte neben mir liegt, mich nicht hören kann. Er kann mich nicht hören, aber ich weiß, daß er wach ist, daß er im Liegen ißt und nachdenkt. Ich kann seine Augen nicht sehen, aber wie sie in der Dunkelheit brennen!
    Cedece, ich sage es nochmals, war alt. So alt, daß man ihn nicht mehr für den aktiven Dienst herrichten konnte, und aus diesem Grund profitierten wir Neulinge von der tiefen Weisheit, die ihm das jahrzehntelange Leben in allen Teilen der Wildnis vermittelt hatte. Seine Worte fallen mir wieder ein: „Wie oft, Ibem, habe ich die wilden Schwäne schwarz gegen die Morgensonne gesehen!“ Dann die kleine Suchpause – sie zeugte von der Hysterese, die sich wie Spinnweben in sein alterndes Gehirn einnistete. „Hundertdreiundzwanzigmal, Ibem. Das ist ein Durchschnitt von 3,8622 pro Jahr; aber das hundertvierundzwanzigste Mal werde ich nicht mehr erleben.“
    Nein. Ebensowenig, wie ich das erste Mal erleben würde.
    Cedeces Haut war gelblich verfärbt. Im Hort hieß es, es handle sich um einen älteren Vinyl-Typ und man habe inzwischen die Farbstabilität verbessert, so daß unsere Haut von den UV-Strahlen der Sonne praktisch nicht angegriffen würde; aber ich hege den Verdacht, daß meine Kameraden, wenn sie erst einmal Cedeces Alter erreicht haben, im Nacken und auf den Handrücken, da wo die grelle Mittagssonne zu oft hinbrennt, auch gelbe Verfärbungen aufweisen werden.
    Wegen seiner vergilbten Haut – so dachte ich zumindest – verließ Cedece nie das Ausbildungsgelände. Ich war damals zu jung, um zu wissen, daß die Menschen unsereinen immer sofort erkannten, obwohl jeder Hortjahrgang eine neue Haut und andere Gesichtszüge erhielt. Einmal überredete ich ihn, mich zu einem kleinen Laden zu begleiten, den meine Kameraden und ich knapp einen Straßenblock vom Geländetor entfernt ausfindig gemacht hatten. Er wurde von einer dicken Frau geführt, die sich dumm stellte und so tat, als würde sie uns nicht erkennen, damit wir ihr etwas abkauften. Ich glaube auch, daß wir Touristen in ihr Geschäft lockten. Einige Male, als ich dort war, kamen Leute – Menschen, meine ich – herein und starrten uns an; wenn

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