Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Damon Knights Collection 11

Damon Knights Collection 11

Titel: Damon Knights Collection 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
Vom Netzwerk:
Treppe hinunter.
    Als er zurückkam, lag Mary auf dem Bett, immer noch in ihrem gesteppten Morgenrock, und starrte die Decke an. Es schien sehr dunkel, sehr kalt im Zimmer. Er setzte sich im Mantel neben sie und legte ihr die Hand auf den Arm. Autos fuhren am Fenster vorbei. Die Mieter oben hatten ihr Radio an.
    „Weshalb hast du die Kommode weggerutscht?“ fragte er nach einer Weile.
    Ohne den Kopf zu bewegen, richtete sie den Blick zum Fußende des Betts. „Nachdem du fortgegangen warst, lag ich hier, und da fiel mir auf, daß sich eine Ampel oder etwas Ähnliches von der Straße her darin spiegelte. Es blinkte auf und ab, ich muß wohl eine Stunde lang hingestarrt haben. Nun wohnen wir schon seit Wochen hier, und ich hatte es noch nie bemerkt. Aber als ich erst einmal darauf aufmerksam wurde, mußte ich die Kommode wegrücken.“
    „Du solltest nicht so schwere Sachen schieben.“
    Lange Zeit lag sie reglos da, und als sie sich endlich rührte, geschah es nur, um den Kopf ein wenig zu drehen und ihn schweigend anzusehen.
    Er nickte, einmal, ganz langsam.
    „Es hat nicht …“
    Nein.
    Sie lächelte, traurig, und er legte sich neben sie in das schmale Bett. Sie wirkte jetzt jünger, ausgeruht, wieder sie selbst. Es war Wärme in ihrer Hand, als sie die seine nahm und auf ihren Leib preßte.
    Sie lagen den ganzen Nachmittag still da. Auf den Straßen bildete sich wieder Eis; sie hörten, wie draußen Räder schleuderten, Motoren hochgejagt wurden. Die Haustür ging auf, Milchflaschen schepperten, die Tür schloß sich wieder. Dann war alles still. Die Bäume auf der anderen Straßenseite ließen ihre Äste unter dem Gewicht des Eises hängen.
    Ein Geräusch machte sich in der Wohnung bemerkbar. Ganz schwach und gleichmäßig, wie ein Ticken. Er hörte stundenlang zu, bis er erkannte, daß es ein tropfender Wasserhahn im Bad war.
    Draußen verwischten sich die Umrisse der Bäume. Langsam kam die Nacht. Und mit ihr, Schnee. Sie lagen zusammen im Dunkel und starrten aus dem vereisten Fenster. Hin und wieder huschten Lichter darüber hinweg.
    „Morgen schaffen wir seine Sachen weg“, sagte sie nach einer Weile.
     

 
Thomas M. Disch
 
Die Zeit drängt
     
    In Geschichte lernten sie alles, von den Heiligen Märtyrern, dem Brand in Rom und daß man ins Kolosseum mußte, wo die Heiden zusahen, wenn man Jupiter keinen Weihrauch darbrachte. Jupiter ist ein Götze, aber wir glauben an den Einen Gott, den Allmächtigen Vater. Da war auch ein kleines Mädchen auf dem Bild, mit einem weißen Kleid, was Reinheit bedeutete, und weißen Blumen im Haar, und Schwester Augustine sagte, die Heiligen Märtyrer sollten für jeden Jungen und jedes Mädchen ein Vorbild sein.
    Sie hatten den ganzen Tag gewartet, weil die Kleinsten zuletzt drankamen, aber endlich erschien der Mann vom Gesundheitsamt und redete mit der Schwester. Er hatte einen weißen Anzug mit Goldknöpfen, und sein Haar war auch golden, wie winzige goldene Drähte, weil er Engländer war. So zogen sie ihre Wolljacken an und gingen nach draußen, wo sie in einer Reihe neben dem Sanitätsbus warteten. Der Kies war naß und voller Pfützen. Emma hatte die Klassenaufsicht. Sie stand am Ende der Reihe mit ihrer roten Jacke und ihren kleinen roten Gummistiefeln, in der Hand die rosa Karte vom Gesundheitsamt mit ihrem Namen drauf. Ihr Vorname fing mit einem E an und ihr Nachname mit einem R , aber im Lesen war sie schlecht – die vielen kleinen Buchstaben sahen alle gleich aus. Aber wenn man nicht lesen lernt, weiß man nicht, was auf den Läden oben steht, man hat keine Ahnung, in welcher Straße man ist, falls man einmal nach Dublin kommt, und man kann keine Einkaufsliste schreiben.
    Sie ging durch die Tür, und der Mann mit dem goldenen Bart nahm ihre Karte und steckte sie in seine Maschine, und dann schrie Mary Ellen Poorlick wie ein böser Geist. Der Mann, der die Nadeln reinstach, versuchte mit ihr zu reden, aber bei seinem komischen Akzent verstand man kein Wort. Jamie Baro kam als nächster dran, dann Emma, und sie konnte kein Auge von der Nadel abwenden, die so lang war wie ihr Mittelfinger. Sie hätte es nicht geschafft, eine heilige Märtyrerin zu werden, das wußte sie, denn anstatt mit den anderen zu singen, wäre sie davongelaufen, wenn die Löwen aus ihren Käfigen kamen; aber nun schloß sich die Tür hinter ihr, und der Mann sagte: „Ganz locker, Emma!“ Er war ein Zauberer, weil nur Zauberer so goldenes Haar haben, und außerdem kann man keinem

Weitere Kostenlose Bücher