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Damon Knights Collection 4

Damon Knights Collection 4

Titel: Damon Knights Collection 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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offensichtlich designiert für die nächste Besetzung des Botschafterpostens der USA bei der UNO. Und schließlich, als der alte Richter Fauquier starb, unterbreitete Präsident Cromway ihren Namen dem Senat als den des ersten weiblichen Richters beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Die im Senat folgenden Debatten und Hearings ließen die lang vergessenen Kontroversen um die Ernennungen von Cardozo und Black als Übungen in Mildtätigkeit erscheinen. Aber wäre Cromway nicht ermordet worden, hätte sie es nie geschafft. Als Geste gegenüber dem letzten Präsidenten fand sich eine zustimmende Mehrheit. Nur deshalb.
    Wie eigenartig, dachte Edmonds, daß diese Frau, die Leidenschaft gekannt und drei wohlgeratene Söhne aufgezogen hat, noch solch komplexe Einsicht aufbringen kann in Konkurse, Raumrecht, Admiralität … das ganze Spektrum. Er sagte: »Schön, daß du vorbeigekommen bist, Helen. Ich habe etwas für dich.« Er öffnete seine Aktentasche, nahm das Bild heraus und gab es ihr. »Es ist nur 8 auf 11, aber wenn du möchtest, kann ich dir eine Vergrößerung machen zum Einrahmen.«
    Die Frau ging hinüber zum Fenster und studierte die Aufnahme.
    »Weißt du, was es ist?« fragte Edmonds.
    »Ja – das heißt, ich weiß, was es sein könnte, wenn es möglich wäre. Die Hand von Charles Leale, die die Hand des sterbenden Lincoln hält, in den Morgenstunden des 15. April 1865.« Sie drehte sich zu ihm um, grübelnd. »Aber es kann nicht sein, weil ich eben auch weiß, daß damals keine Aufnahmen gemacht wurden. Nicht in jener schrecklichen Nacht. Aber das spielt keine Rolle. Es ist einmalig.« Sie fuhr fort, alles aus ihrem Gedächtnis herauskramend: »Es war die ausgesuchte, krönende Ironie des Bürgerkriegs. Natürlich kennst du die Geschichte. Dr. Leale war ein junger Feldarzt. Er war an jenem Abend zu Ford’s Theatre gekommen, nur um Lincoln zu sehen. Es war der große Ehrgeiz seines jungen Lebens, dem Präsidenten die Hand zu schütteln, aber er wagte kaum, darauf zu hoffen. Und so war er der erste Arzt in der Präsidentenloge, nachdem Booth auf die Bühne hinuntergesprungen war. Leale trug den Präsidenten quer über die Straße und verbrachte die letzten Stunden mit ihm. Da er von seiner Militärerfahrung her wußte, daß ein Sterbender kurz vor dem Ende manchmal das Bewußtsein wiedererlangt, und da er wollte, daß Lincoln merkte, daß er unter Freunden war, begab er sich auf dessen rechte Seite und nahm ihn bei der Hand, mit der Spitze des Zeigefingers auf dem schwächer werdenden Puls, genau wie du es hier siehst.« Sie schaute nachdenklich zu ihm zurück. »Es ist sehr passend, wenn man überlegt, welchen Fall wir heute bei der Konferenz vor uns haben.«
    Seine Augen durchforschten unbehaglich ihr Gesicht. »Da habe ich einen schlechten Zeitpunkt erwischt, nicht wahr? Das tut mir wirklich leid. Aber du wirst lernen müssen, daß du einen Fall nicht an dich ‘rankommen lassen darfst, Helen. Nicht einmal Tyson gegen New York. Gerade Tyson nicht.«
    »Ben, glaubst du, daß Frank Tyson Präsident Cromway erschossen hat?«
    »Was ich persönlich davon halte, ist irrelevant. Ich kann nur als Richter darüber nachdenken. Und Richter sein, auch an diesem Gerichtshof, ist ein Beruf wie jeder andere. Wir werden dafür bezahlt, daß wir Gesetze interpretieren, die von anderen gemacht wurden. Unsere persönlichen Gefühle über Recht oder Unrecht sollten keine Rolle spielen.« Wie konnte er ihr erklären, daß er selbst nie gelernt hatte, mit dieser bittersten richterlichen Pflicht umzugehen – zu entscheiden, ob ein Mensch leben oder sterben sollte –, und daß er sich mit der Einsicht abgefunden hatte, daß er es nie lernen würde. Er hatte die logische Begründung der Todesstrafe nie verstanden. Nach einem Zeitraum von sechstausend Jahren war ihre abschreckende Wirkung nicht so groß, daß nicht weitere Morde geschahen, die wiederum die Todesstrafe nach sich zogen. Vielleicht hatte sie die Anzahl verringert? Keiner konnte das sagen. Es gab keine Kontrollversuche. Er zuckte die Schultern: »Das einzige, worüber du und ich und unsere sieben Kollegen nachdenken müssen, ist, ob New York im Prozeß, der zu Tysons Verurteilung führte, dessen verfassungsmäßige Rechte verletzte. Als ein Anhänger von Lincoln mußt du das gut verstehen.«
    »Ich weiß. Armer Dr. Mudd – sein einziges Verbrechen war, das gebrochene Bein eines Fremden geschient zu haben, der sich nachher als John Wilkes Booth

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