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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yelena Black
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nicht zu antworten. Stattdessen schloss sie die Augen, verdrängte alle Gedanken aus ihrem Kopf, erhob sich auf Spitze und bereitete sich auf die Hebefigur vor.
    Hilda hielt den Stock wie ein Dirigent, und Vanessa folgte ihren Anweisungen. Sie spürte, wie sie zurückgeschoben wurde, und beugte sich vor, dann streckte sie ihr langes Bein anmutig aus und richtete den Rücken langsam auf, bis sie selbst Teil des Tanzes geworden war. Als sich der Rhythmus änderte, bewegte sie sich mit ihm, ihr Körper und ihre Schritte wurden von selbst langsamer.
    Sie merkte kaum, dass Zep sich von ihr löste und in den Hintergrund zurückwich. Seine Rolle war zu Ende getanzt. Vanessas Brust hob und senkte sich. Alles im Raum wurde dunkler und verwischter, bis plötzlich von überall her Farben auf sie einzustürmen schienen. Sie blinzelte bei diesem grellen Schein, aber sie tanzte weiter, während der Raum immer heller wurde. Das Rot nahm zu, dann brach sich das Licht in seine Spektralfarben, die alles durchdrangen und den Raum surreal wirken ließen.
    »Gut«, sagte Hilda. Als die Prinzessinnen sich an Vanessa vorbeibewegten, begann der Boden unter ihren Füßen zu beben und schien sie mit sich zu tragen.
    Vanessa beschleunigte ihre Tanzschritte und zwang ihren Körper erst nach links und dann nach rechts. Diesmal kämpfte sie nicht dagegen an. Sie erlaubte sich, mit dem Rhythmus im Takt zu taumeln, und sie fühlte, wie ihre Spitzenschuhe aus Satin das polierte Holz entlangglitten.
    Ein Geruch von Rauch schwebte in der Luft, und die Farbe an den Wänden begann sich zu kräuseln. Die leuchtenden weißen Figuren lösten sich von der Wand und wirbelten auf Vanessa zu. Sie ahmten ihre Bewegungen nach und bildeten einen glühenden Kreis um die Prinzessinnen.
    Niemand reagierte auf die weißen Figuren. Die anderen Mädchen tanzten mit unbewegten Gesichtern weiter, während die Figuren sie in Explosionen aus Licht umgaben.
    Ich bin die Einzige, die sie sehen kann
, begriff Vanessa.
    Sie riss den Blick von ihnen los und starrte hinauf in den blendenden Glanz der Scheinwerfer, als wollte sie das Licht umarmen. Sie ließ seine Wärme in sich eindringen. Der Schweiß lief ihr den Nacken hinunter und versickerte im dünnen Stoff ihres Trikots. Sie legte den Kopf zurück und hob die Arme zum Licht empor, als sie plötzlich ein ganz neues Gefühl empfand.
    Sie spürte eine kribbelnde, prickelnde Wärme hinten im Nacken. Vanessa zitterte, als sie sich ihr Rückgrat hinunter ausbreitete, ihr in die Haut drang und sie mit Hitze erfüllte. Aber Hitze war es nicht – oder zumindest nicht die Art von Hitze, die sie kannte.
    Es fühlte sich an wie eine Aufwallung von Leben – deutlich ausgeprägt, intensiv und fremd. Sie blinzelte, und nach diesem einen Wimpernschlag bewegte sich alles um sie herum wie in Zeitlupe.
    Sie sah, wie Staubpartikel durch die Luft schwebten und das Licht reflektierten, sodass sie aussahen wie Goldstaub.
    Sie spürte, wie sich die Luft bewegte und das Licht sich um den Kreis der Tänzerinnen legte.
    Sie hörte, wie Hilda den Rhythmus klopfte, und er klang so einfach und langsam, dass sie sich fragte, warum er ihr eigentlich je Probleme bereitet hatte.
    Vanessa schwebte durch den Raum wie eine warme Sommerbrise, ihr Körper war wie schwerelos, nur noch eine Hülle. Sie führte die Bewegungen des Tanzes nicht einfach nur aus – sie war selbst zum Tanz geworden. Der Rhythmus pulsierte in ihr, und Vanessa wusste, dass sie mit dieser eigenartigen Aufladung von Leben in sich nun alles tun konnte. Ihr waren keine Grenzen mehr gesetzt. Sie könnte sich von ihrem Körper lösen, und es wäre ihr egal.
    Ihr Brustkorb schwoll an, das Trikot wurde ihr um die Rippen zu eng. Eine starke, unsichtbare Macht drückte ihr gegen den Rücken und richtete ihn auf. Die Bänder ihrer Schuhe schnitten in die Knöchel, und sie spürte, dass die Knochen in ihren Zehen schwach wurden, so als ob sie unter ihrem Gewicht zerbrechen könnten. Aber sie machte keinen falschen Schritt. Sie wollte spüren, wie dieses neue Leben sie packte, wie es die Kontrolle über ihren Körper übernahm und sie lehrte, sich durch Raum und Zeit zu bewegen, so wie es immer schon ihre Bestimmung gewesen war.
    Und dann hörte sie ein Knacken. Ihr Körper war jetzt brüchigund so filigran und zerbrechlich wie Glas. Ihre Lippen öffneten sich, und ein dünner Schwall Luft drang in sie ein. Ihr Mund bewegte sich ohne ihr Zutun, ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihre Zunge

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