Dance of Shadows
Josef stürzte sich mit dem Messer auf sie, aber Hilda war schneller. Sie packte Josefs Arm und drehte diesen so weit herum, dass das Messer nun auf seine eigene Brust gerichtet war.
Er wehrte sich heftig, doch es hatte keinen Zweck. Hilda packte ihn im Genick und zog ihn in einem großen Bogen zurück, als sei er ihr Partner in einem makaberen
pas de deux
.
Vanessa wollte schreien, aber aus ihrem weit aufgerissenen Mund kam kein Ton. Sie schlug die Hände vors Gesicht, als Hilda das Messer in Josefs wogende Brust stieß.
Sein Gesicht war vor Schmerz und Schreck verzerrt, dann wurden seine Wangen blass und hohl. Er keuchte auf. Seine Glieder zucktenund wehrten sich gegen das Unvermeidliche, aber Hildas Griff war eisern.
Vanessa taumelte zurück, die Hände noch immer vors Gesicht geschlagen. Josef verstummte. Sein Bein zuckte noch einmal, dann sank er schlaff auf den Boden. Unter seinem Körper bildete sich ein kleines rotes Rinnsal, als würde sich die Farbe, die aus seinem Gesicht gewichen war, auf dem Boden sammeln.
Als alles vorüber war, stand Hilda auf und wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab. »So lösen wir hier Probleme«, sagte sie ungerührt zu Josefs leblosem Körper und zu den anderen: »Er hat uns sowieso nichts mehr gebracht.«
»Sie?«, flüsterte Vanessa fassungslos. »Sie?«
Hilda nickte gleichmütig. »Du hast gedacht, ich wäre ein unbedarftes kleines Ding, nicht wahr?«, sagte sie und blickte auf ihre stämmigen Arme und Beine hinunter. »Das hat Josef auch von mir gedacht.«
»Haben Sie ihn deshalb … umgebracht?«, fragte Vanessa.
Hilda nahm Josefs Stock, tauchte ihn in sein Blut und zeichnete damit auf dem Boden ein Muster. »Nein, ich habe Josef getötet, weil er mir zu stolz und zu dumm geworden war. Er dachte,
er
wäre derjenige, der den Gast herbeiruft. Aber ich bin hier die oberste Nekrotänzerin, und den
Danse du Feu
perfekt darzubieten war meine großartige Idee. Ich war schon immer eine bessere Tänzerin als er, obgleich er und alle anderen das vergessen haben, als ich gezwungen war, mich von der Bühne zu verabschieden. Ich sei zu alt, sagte man – mit
fünfundzwanzig
!«
Schweigend blickte sie auf Josefs Leiche herab. »Das ist zwanzig Jahre her. Damals sind wir aus Europa hierher geflohen. Seither haben wir nach der passenden Tänzerin gesucht, die die Choreografie vollendet darbieten könnte.« Hildas Blick ruhte jetzt auf Vanessa. Zu Vanessas Überraschung wirkten sie freundlich.
Hilda beugte sich herunter und zog das Messer aus Josefs Brust. Dabei lief ein letztes Zittern durch seinen Körper. Vanessa wandte entsetzt den Blick ab, und eine plötzliche Schwäche überfiel sie. Ihr wurde ganz flau im Magen, und sie taumelte einen Schritt zurück.
Josef war tot.
Einen Augenblick lang traten all die schrecklichen Dinge, die er getan hatte, in den Hintergrund, und Vanessa wurde von ihren Gefühlen überwältigt. Ein Leben war ausgelöscht worden. Josef würde nie wieder zurückkehren.
»Ich danke dir, alter Freund«, sagte Hilda an ihn gewandt mit sorgenvoller, aber kräftiger Stimme. »Und es passt nur zu gut, dass es nach so vielen gescheiterten Versuchen jetzt dein Blut ist, das den Gast zu uns führt.«
Sie richtete sich stöhnend auf, stieg mit einem großen Schritt über Josefs Leiche hinweg und trat auf Vanessa zu.
»Ich tue es nicht«, schrie Vanessa. »Es nützt nichts, mir zu drohen. Wenn ich den Dämon herbeirufe, werden wir alle sterben … «
Hilda brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. »Still!«, rief sie. »Ich will dir nicht drohen. Ich mache dir ein Angebot.«
Vanessa lachte nervös auf, und ihr Blick schoss zu Steffie und ihren Freunden hinüber, die noch immer gefesselt am Boden lagen. »Ein Angebot?«
»Josef hat dir vorhin prophezeit, du würdest dich freiwillig dafür entscheiden, den
Danse du Feu
darzubieten, aber er konnte dir nicht mehr sagen, warum. Der Dämon hat etwas, wonach du dich sehnst.«
»Und was soll das sein?«, fragte Vanessa.
»Das weißt du genau«, erwiderte Hilda und sah Vanessa forschend an. »Warum hast du dich in Josefs Büro geschlichen? Aus welchem Grund bist du überhaupt an diese Schule gekommen?«
»Um meine Schwester zu finden«, sagte Vanessa und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ein leises Lächeln breitete sich über Hildas Gesicht. »Ja. Margaret.«
Vanessa ballte die Hände zu Fäusten und versuchte sich klarzumachen, dass das, was sie da sah und hörte, der Wirklichkeit
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