Dark one 05 - Vampire sind zum Kussen da-neu-ok-08.12.11
wirklich nicht weiter.
Er hatte
recht. Ich kannte mich mit Fanatikern aus - ich hatte achtzehn Jahre unter
ihnen gelebt - und wusste nur zu gut, dass man solchen Leuten nicht mit
Vernunft und Logik beikommen konnte. Diese Schlacht musste ich ein andermal
schlagen.
Sarah sah
mich durchdringend an, und in ihrem Blick lag Besorgnis. Ich lächelte sie
beruhigend an und winkte dem Truchsess zu. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht
aufhalten. Wir können dann, wenn die Maren bereit sind.“
Der
Truchsess öffnete mit großer Geste beide Flügel der Tür und rauschte hinein, um
sich vor dem Podium am anderen Ende des Raums zu verbeugen.
„Heiliger
Strohsack!“, sagte Sarah und sah sich mit großen Augen im Ballsaal um.
Es war ein
ziemlich beeindruckender Anblick, das musste ich zugeben. Die Wände waren mit
Eichenholz in einem warmen bernsteinfarbenen Ton vertäfelt, und an den Längsseiten
des Raums befanden sich große Fenster, durch die das Sonnenlicht auf den
glänzenden Parkettboden fiel. Zwischen den Fenstern hingen Gemälde, genauer
gesagt Porträts, unter denen jeweils ein silberblau bezogener Polsterstuhl
stand.
„Die werden
aber noch viel mehr Stühle brauchen“, sagte ich leise, als wir durch den Saal
gingen, wobei Theo sorgsam den Sonnenstrahlen auswich.
„Guck dir
mal die Kronleuchter an!“ Sarah bestaunte mit offenem Mund die prunkvollen
silbernen Kunstwerke, die unter der Decke hingen. „Sind die Schnörkel etwa
kleine Schwäne?“
„Anscheinend
ist der ganze Saal mit Motiven aus der Mythologie gestaltet“, entgegnete ich
und konnte meine Augen gar nicht von dem Deckengemälde über unseren Köpfen
losreißen. Zuerst hatte ich es für ein allegorisches Gemälde gehalten, wie man
es häufig in Ballsälen von Schlössern findet, doch bei genauerem Hinsehen wurde
mir klar, dass es sich nicht um religiöse Motive, sondern um mythologische
handelte. Satyrn und Faune vergnügten sich in einer Waldlandschaft mit
feenhaften Frauen in durchscheinenden Gewändern, während am anderen Ende des
Saals, über dem Podium, dem wir uns näherten, eine Szene in Schwarz und Rot mit
lüsternen Männern und kleinen braunen menschenähnlichen Wesen, die ich für
Dämonen hielt, zu sehen war.
Zwischen der
paradiesischen Waldlandschaft und der Feuersbrunst des Abaddon - also weder zu
dem einen, noch zu dem anderen zugehörig - war eine kleine Gruppe Männer und
Frauen abgebildet. Sie standen mit gesenktem Blick dicht gedrängt beieinander,
und ihre Mienen und Körpersprache drückten Scham und Reue aus.
„Das sind
die Nephilim“, erklärte Theo und deutete mit dem Kinn auf das Gemälde.
„So, jetzt
geht’s zur Sache“, sagte ich und straffte die Schultern, als wir vor dem Podium
stehen blieben, auf dem drei Stühle standen. Zwei davon waren besetzt: von der
älteren Mare Irina und der bissigen Disin.
Theo setzte
die strampelnde Carol ab, sodass sie neben ihm stand. Ich ging auf die andere
Seite und hielt sie am Arm fest. Theo verbeugte sich vor den Maren. Ich dachte
kurz daran, einen Knicks zu machen, aber da ich keine Ahnung hatte, wie so
etwas eigentlich ging und es mir als Freigeist außerdem zutiefst widerstrebte,
wenn sich jemand für etwas Besseres hielt, kam ich zu dem Schluss, dass als Zeichen
des Respekts ein Nicken vollauf genügte.
„Guten Tag“,
sagte ich und nickte beiden Maren zu. „Es tut mir leid, Sie zu stören, aber ...“
„Portia
Harding“, unterbrach Disin mich, und ihre Stimme hallte wie ein Donnergrollen
durch den Raum. Die Leute drängten immer noch durch die große Tür herein, doch
in diesem Augenblick erstarrten alle. Es sah aus, als sei der riesige Ballsaal
zur Hälfte mit scheinbar leblosen Körpern gefüllt. „Du hast dich dem Urteil des
Gerichtshofs von Göttlichem Geblüt widersetzt, indem du zurückgekehrt bist,
ohne vorgeladen zu sein.“
Theo rückte
dichter an mich heran. Über mir bildete sich eine kleine dunkle Wolke.
Ich ließ sie
wieder verschwinden und ergriff Theos Hand.
„Mir war
nicht bewusst, dass es sich bei der Anhörung bereits um einen richtigen Prozess
einschließlich Urteil handelte“, entgegnete ich bestimmt, ohne jedoch zu
aggressiv zu werden. „Wie ich mich erinnere, haben Sie uns befohlen, bis zum
nächsten Neumond den Mörder von Hope zu finden.“ Ich wies auf die gefesselte
Frau neben mir. „Und das haben wir getan.“
Die Menge
hinter uns rückte ein paar Meter vor. Ich entdeckte einige bekannte Gesichter:
den namenlosen Jungen, der
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