Dark one 06 - Ein Vampir kommt selten allein-neu-ok-08.12.11
verloren sind. Ich glaube, er ist sauer auf mich, weil ich ihn nicht
als meinen Ehemann ansehe. Er hätte wohl lieber eine Frau, die diese Sache
nicht von zwei Seiten betrachtet.“
„Ich glaube dir zwar, aber der Rat wird deine Meinung nicht
teilen“, sagte Alec und lockerte seinen Griff so weit, dass ich mich von ihm
lösen konnte.
„Wenn sie sehen, dass du die Macht der Zorya erlangt hast,
werden sie dich ohne zu zögern töten.“
„Dann zeige ich es ihnen einfach nicht“, erwiderte ich
leise. „Wo sind die anderen?“
„Keine Ahnung. Sie waren dem Zenit auf den Fersen, als ich
zuletzt von ihnen hörte. Dann haben Kristoff und ich deine Nachricht am
Kühlschrank gefunden, und er ist los, um dich zu finden. Ich musste für den
Fall, dass der Zenit auftaucht, im Haus bleiben, aber als klar war, dass er
nicht mehr kommt, habe ich mich auch auf die Suche nach dir gemacht.“
Wir schlichen leise von Baum zu Baum und hielten dabei
aufmerksam nach Wachposten Ausschau, die Frederic möglicherweise im Gelände
verteilt hatte.
Als wir gerade den Hügel erreicht hatten und hinter einer
der verfallenen Mauern Position beziehen wollten, ließ mich ein Geräusch hinter
uns auffahren.
„Dunkle!“, rief Karl, und als ich mich umdrehte, rutschte
mir das Herz in die Hose: Die anderen Vampire brachen aus dem Unterholz ...
alle bis auf Kristoff.
Als sie Alec und mich sahen, blieben sie stehen.
„Das habe ich mir gedacht“, sagte Christian enttäuscht zu
mir.
Der Wind frischte auf und wehte Gesangsfetzen zu uns
herüber. Ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen, als mir klar wurde, was vor
sich ging: Die Bruderschaft hatte mit der Zeremonie begonnen, um mich mit der
Macht des Mondes zu versehen. Ich schaute in den Himmel.
Der Mond war in den Monaten, in denen die Sonne nie ganz
unterging, kaum zu sehen, und über den Baumkronen war nur eine blasse Sichel zu
erkennen.
„Flute wie Wasser das Recht - Gerechtigkeit wie ein nie
versiegender Bach“, sagte ich und sah klar und deutlich vor meinem geistigen
Auge, wie Anniki mir den Stein in die Hand drückte.
Sie war für ihren Glauben an die Gerechtigkeit gestorben,
und ich hatte ihr versprochen, das begangene Unrecht zu sühnen. Und bei Gott,
das würde ich auch tun.
„Die Zeremonie!“, rief Sebastian und kam auf mich zu.
„Haltet sie auf!“, rief ich, drehte mich um und rannte los.
Die Geister tauchten augenblicklich auf und stürzten sich mit Gebrüll auf die
vier Vampire, die völlig verdattert waren und in einem einzigen Gewirr aus
Armen und Beinen zu Boden gingen.
Alec stand zwischen mir und der Ruine. Seine Augen funkelten
in der Dämmerung. „Geh und erfülle dein Schicksal“, sagte er nach einem Moment
und trat zur Seite.
„Oh, ich danke dir!“ Ich lief weiter.
Die Ruine sah so ziemlich aus wie jedes andere Relikt aus
alten Zeiten: große, umgestürzte, verwitterte Steinblöcke und halb verfallene
Mauern, die in den Himmel ragten.
Der Großteil des alten Gemäuers war im Lauf der Zeit im
Erdreich versunken, und was davon noch übrig war, hatten Wildblumen und hohes
Gras überwuchert. Die Wiese in der Mitte, wo drei längliche Steinblöcke lagen,
war jedoch gemäht worden.
Ich blieb erschrocken stehen, als ich sah, dass auf einem
der Blöcke jemand lag, während sich drei Gestalten im Dreieck um ihn
aufgestellt hatten.
Mir jagte ein kalter Schauer über den Rücken, denn im ersten
Moment hielt ich sie für über dem Boden schwebende Gespenster, doch dann wurde
mir schlagartig bewusst, dass sie diesen Eindruck nur wegen ihrer sonderbaren,
mittelalterlich anmutenden Kleidung erweckten. Ihre langen schwarzen Kutten
verschmolzen derart mit der Dunkelheit, dass es aussah, als hätten sie weder
Beine noch Köpfe. Sie trugen silbrige Wämser, die mich an die Kettenhemden der
Kreuzritter erinnerten, doch statt blutroter Kreuze hatten die Mitglieder der
Bruderschaft purpurrote Mondsicheln auf der Brust.
Ich trat zögernd einen Schritt vor, doch dann geschah etwas
sehr Merkwürdiges. Die Sonne hatte sich ganz langsam dem Horizont zugeneigt,
und plötzlich drang ein fast waagerechter Lichtstrahl zwischen Bäumen und
Mauerresten hindurch und traf mich mit einer Wucht, die ich bis in die Zehen
spürte. Ich schaute verblüfft an mir hinunter, und mir blieb der Mund offen
stehen, als ich sah, wie aus dem goldenen Licht, in das ich getaucht war, ein
silbrig-bläuliches Leuchten wurde, das meinen Körper vollständig zu umfangen
schien.
Der Gesang wurde
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