Dark Room
Püppi wegging in Richtung einer Seitenstraße, die sie nicht mehr einsehen konnte.
»Ich muss los.« Sie küsste die alte Frau auf die Wange, war schon halb bei der Tür, zögerte und zeigte dann auf den braunen Umschlag. »Kann ich die Fotos mitnehmen?«
»Nicht ohne eine Wegzehrung, mein Kind.« Tante Lorina reichte ihr einen kleinen Kuchen mit türkisem Fondantüberzug, schief wie ein eingedrückter Zylinder, auf dem in bunter Zuckergussschrift zwei Worte standen. Fiona stürmte hinaus. Sie warf erst im Flur einen Blick darauf und las: »Iss mich.«
Sie brach ein Stück ab und schob sich den Bissen in den Mund, während sie die Treppen hinunterlief. Er schmeckte gleichzeitig süß und salzig und hatte einen fast blumigen Nachgeschmack, der die Zunge leicht taub werden ließ und ihr mit einem leichten Schwindel in den Kopf stieg.
6 QUÄLIUS
Der Lacksklave stand in gebückter Haltung neben dem Schreibtisch und kontrollierte die Anmeldungen und Zahlungseingänge für das abendliche Labyrinth. Die Teilnehmerzahl war wie immer begrenzt. Es wusste noch niemand, aber das Labyrinth würde diesmal in einem Bunker stattfinden, und die Herrin Grinsekatze war mit ihrem Team schon seit Tagen mit den Sicherheitsmaßnahmen und der Ausgestaltung beschäftigt. Der Sklave versuchte, wenigstens eine Pobacke auf den Schreibtischstuhl zu setzen, aber der dicke Kater fauchte nur und rückte keinen Zentimeter. Auch wenn die Herrin nicht da war, galten die Gesetze, also blieb er stehen. Seit zwei Stunden war die Leitung dicht, wer jetzt nicht überwiesen hatte und akkreditiert war, musste heute Nacht woanders vögeln. Er hatte bereits alle Angemeldeten angeschrieben und nach Klaustrophobie oder sonstigen Gebrechen gefragt. Jetzt musste er nur noch die Nicknames abgleichen, ob auch wirklich alle Versicherungen hatten und ordnungsgemäße Labyrinthgänger waren. Eine Teilnehmerin sortierte er aus, als er sah, dass bei ihrer letzten Zahlung der Bankeinzug verweigert worden war, und schrieb ihr eine Absage. Bei kleinen Motto-Partys in Wohnungen oder bei fahrenden Labyrinthen in gemieteten Limousinen war es nicht so tragisch, wenn mal hier und da ein Beitrag fehlte, aber die Sache im Bunker heute Nacht war kostspielig. Da musste selbst die Herrin rechnen.
Es war ihm ein Rätsel, warum die Leute so wild auf diese Fickfeste waren. Die vielen Nackten, das Gedränge, das Gestöhne, alle packten ihre Geschlechtsteile aus und krabbelten sich an. Nichts für ihn. Er wollte sich rein halten für die Herrin.
Als er alles erledigt hatte, surfte er noch durchs Forum, mit seinem Masterpasswort kam er in jeden Unterthread, konnte Privatnachrichten mitlesen und Userprofile verfolgen. So viel Macht war ganz ungewohnt, und er fühlte sich immer leicht unbehaglich, wenn er wie Gott durch das Forum geisterte. Aber sie hatte es ihm aufgetragen, seine Macht war ihr Befehl, also durchkämmte er die neuen Einträge, löschte Bilder, die das Copyright nicht beachteten, mahnte User ab, die sich rassistisch oder homophob äußerten, und verfolgte Chats über Sextoys, Treue und Kochrezepte. Eine Gruppe pflegte offenbar einen Schuhfetischismus, denn sie überboten sich in einem Unterforum gegenseitig mit der Höhe ihrer Hacken, die sie tragen wollten.
HERZDAME: Jagdvolk, ihr wisst, worum es geht. Wer die höchsten Absätze trägt, gewinnt einen schönen Preis. Ich bitte um Meldungen, die Sanduhr rieselt.
BLONDIE: Neun Zentimeter.
GOTE: Du legst ja ganz schön vor. Ich toppe mit neuneinhalb.
LONELY TWIN: Erhöhe auf neun acht.
NOVIZIN: Zehn!
BLONDIE: Darf die überhaupt schon mitspielen? Sehr hilfreich war sie bisher nicht.
GOTE: Lass die Kleine in Ruhe. Konkurrenz belebt das Geschäft.
HERZDAME: Bleibt es bei zehn? Hat niemand richtige High Heels im Schrank? Traut euch!
GOTE: Auf zehn drei kann ich noch ganz bequem stehen.
NOVIZIN: Dann sage ich zehn vier.
BLONDIE: Elfeinhalb. Lass die Erwachsenen mal unter sich sein.
NOVIZIN: Zwölf.
GOTE: LOL! Da ist aber jemand ganz wild auf Stöckelschuhe!
LONELY TWIN: Auf einen schönen Preis. Zwölfeinhalb.
BLONDIE: Dreizehn.
NOVIZIN: Dreizehn drei.
GOTE: ROFL. Mein Arzt und Apotheker raten mir von weiteren Geboten ab.
BLONDIE: Vierzehn. Mach dich nicht unglücklich, du kleine Sadistin. Das hier ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Du brichst dir die Hacken! Ach was, ich sage vierzehneinhalb, damit wir hier mal zum Ende kommen.
HERZDAME: Vierzehneinhalb Zentimeter sind die höchsten
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