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Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Titel: Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
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James vermissen dich so. Sie brauchen dich.« Ein dunkles Lachen. »Ich gebe es nur ungern zu, aber die Nana kann ihnen nicht ganz die Mutter ersetzen.«
    Nana? Großmutter? Schwiegermutter?
    Kleidung raschelte, weiche Sohlen tappten über den Fußboden. Offenbar verließ die Schwester das Zimmer.
    »Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt noch einmal aufwacht«, knurrte Alex. »Herrgott, ich brauche eine Zigarette.«
    »Hab doch Geduld. Marla hatte einen grauenhaften Unfall, und dann noch all diese Operationen … Sie wird wieder gesund.«
    Himmel, warum konnte sie sich nicht erinnern? Wieder war ein langer, sorgenvoller Seufzer zu hören, und sie spürte Finger, die liebevoll ihren Handrücken streichelten. Ein Hauch von Parfüm … Ein Duft, den sie kannte, aber nicht benennen konnte.
    Warum war sie im Krankenhaus? Über welchen Unfall redeten sie? Marla versuchte, sich zu konzentrieren, nachzudenken, doch die Anstrengung brachte ihr nur pochende Kopfschmerzen ein.
    »Ich hoffe nur, dass sie nicht zu sehr entstellt sein wird«, sagte die alte Frau.
    Wie bitte? Entstellt? Bitte nicht! Sekundenlang wurde sie aus ihrer Benommenheit gerissen. Ihre ohnehin schon ausgedörrte Kehle war vor Angst wie zugeschnürt, ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie wollte sich daran erinnern, wie sie aussah, aber es war ja gleichgültig … Ihr Herz raste vor Angst. Ganz bestimmt saß irgendwo jemand vor den Bildschirmen und sah, dass sie aufnahmefähig war, dass sie reagierte. Doch keine eiligen Schritte waren vom Flur her zu hören, keine eindringliche Stimme rief: »Sie regt sich. Sehen Sie, sie wacht auf!«
    »Sie hatte die besten Ärzte. Sie … sie sieht dann vielleicht nicht so aus, wie wir es erwarten, aber schön wird sie bestimmt trotzdem noch sein.« Alex’ Stimme klang, als müsse er sich selbst überzeugen.
    »Weißt du, Alexander«, sagte die Frau, die sich Nana nannte, »manchmal kann Schönheit für eine Frau auch ein Fluch sein.«
    Ein unbehagliches Lachen von diesem Mann, der ihr Gatte war. »Ich glaube nicht, dass sie dir da zustimmen würde.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber sie lebt noch nicht lange genug, um das zu begreifen.«
    »Ich möchte nur wissen, woran sie sich erinnert, wenn sie aufwacht.«
    »Hoffentlich an alles«, sagte die Frau, doch in ihren Worten schwang Anspannung mit, deutliche Angst.
    »Nun ja, wir werden sehen.«
    »Wir können von Glück sagen, dass sie den Unfall überhaupt überlebt hat.«
    Nach kaum merklichem Zögern sagte der Mann: »Allerdings. Sie hätte überhaupt nicht fahren sollen. Zum Teufel, sie war doch gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden.«
    Noch ein Krankenhaus? Wieder setzte diese Benommenheit ein, die Worte verwirrten sie. Hatte sie richtig gehört?
    »Es bleiben noch so viele Fragen offen«, flüsterte die Frau, die anscheinend ihre Schwiegermutter war.
    Ja, so viele, aber ich bin zu müde, um jetzt darüber nachzudenken … So schrecklich müde.

    Nick Cahill pfiff gellend nach seinem dreibeinigen Hund. Er schaltete den Motor seiner Notorious aus, warf die Leine um einen schwarz angelaufenen Pfosten am Dock und machte sein Fischerboot daran fest. »Komm schon, Tough Guy, gehen wir nach Hause«, rief er über die Schulter. Das Boot schaukelte auf den Wellen der abgelegenen Bucht in Oregon. Nieselregen ging vom bleigrauen Himmel nieder, der Wind frischte auf, schlug ihm ins Gesicht und setzte den Wellen Gischtkronen auf. Am Himmel zogen Möwen unter Geschrei ihre Kreise. Die Gerüche von Diesel, modrigem Holz und Brackwasser vermischten sich in der Winterluft dieses Novembertags.
    Nick schlug den Kragen seiner Jacke hoch, griff nach seinem Eimer mit lebenden Krebsen und stieg auf den Anleger. Im selben Moment schoss sein Hund wie ein schwarzweißer Blitz an ihm vorbei. Tough Guy, ein Schäferhundmischling, sprang auf die schlüpfrigen Planken und kletterte die Treppe zum Parkplatz auf dem Felsvorsprung hinauf. Nick folgte ihm etwas langsamer, vorbei an schiefen Pfosten voller Seetang und Krebse.
    »Da ist jemand, der dich sprechen will«, knurrte Ole Olsen, der alte Kerl im Fenster des Köderladens am Anleger. Er wies mit einer Kopfbewegung zum Kopf der Treppe, sah Nick jedoch nicht in die Augen, sondern arbeitete weiter an seiner Köderfliege, wie immer.
    »Mich sprechen?«, vergewisserte sich Nick. In den fünf Jahren, die er in dieser Gegend verbracht hatte, war noch nie jemand zum Jachthafen gekommen, um ihn zu treffen.
    »Ja. Das hat er gesagt.«

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