Rettung am Straßenrand
Rettung am Straßenrand
Janine Ashbless
Das war ja mal wieder typisch.
Natürlich musste ihr Wagen ausgerechnet auf der am wenigsten befahrenen Straße von ganz Schottland den Geist aufgeben, und das auch noch an einem Nachmittag, an dem es in Strömen goss. Und es musste natürlich an diesem ganz besonderen Tag passieren. Es überraschte sie nicht, dass sie mit ihrem Handy keinen Empfang hatte – nur ein Balken flackerte hin und wieder auf dem Display auf.
Zuerst war Wut in Sarah aufgelodert: die Art hilflosen Zorns, die meist mit unerwünschten Tränen einherging. Sie hatte mit den Fäusten auf das Lenkrad eingeschlagen, den Wagen, den Regen und danach Gott verflucht, falls ihr dieser denn zufällig zuhören sollte. Doch kurz darauf bekam sie sich wieder in den Griff. Es waren nirgendwo andere Wagen zu sehen, und sie konnte sich auch nicht daran erinnern, auf den letzten dreißig Kilometern einem Fahrzeug begegnet zu sein. Dennoch musste sie irgendwie Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen.
Und sie hatte natürlich auch keine wasserfeste Kleidung dabei, da sie ja erwartet hatte, das ganze Wochenende im Haus zu verbringen, entweder im Bett oder im Hotelrestaurant. Sie bewahrte zwar einen Regenschirm im Handschuhfach auf, aber als sie aus dem Wagen gestiegen war, nachdem sie das Warnblinklicht eingeschaltet hatte, musste sie feststellen, dass ihr dieser auch nicht wirklich weiterhalf. Der Wind fegte so ungestüm über das weite Moorgebiet und rüttelte so heftig an ihrem Schirm, dass dieser beinahe umklappte und sie ihn dicht über ihren Kopf halten musste, während das Wollgras rings um sie herum von den Wassermassen zu Boden gedrückt wurde und es fast schon horizontal regnete. Ihr Kleid – ihr luftiges Kleid mit dem Rosendruck, von dem sie wusste, dass Mervyn es sehr mochte und es ihr gern auszog – war in weniger als einer Minute völlig durchnässt.
Sie biss die Zähne zusammen und wandte sich einem Felsen zu, der als einzige Erhebung in der Nähe aus dem dürren Gras ragte. Eiskaltes, torfbraunes Wasser reichte ihr bis über die Fußknöchel, als sie am Straßengraben entlangging, und innerlich kochte sie bei dem Gedanken an das viele Geld, das sie für die schönen Sommersandalen hingelegt hatte, die sie sich gerade ruinierte.
Aber sie schaffte es. Nach zehn Minuten hatte sie die Spitze des Hügels erreicht und wurde mit zwei Balken auf der Empfangsanzeige belohnt, die für einen Anruf ausreichten. Sie überlegte, ob sie Mervyn anrufen sollte, aber als sie es von einer Tankstelle in Glasgow aus versucht hatte, wo sie haltgemacht hatte, war nur seine Mailbox zu erreichen gewesen, daher rief sie lieber gleich den Pannendienst an. Man versprach ihr, dass innerhalb der nächsten Stunde ein Abschleppwagen bei ihr sein würde.
Es ging sogar deutlich schneller. Sarah saß wieder in ihrem Wagen im Trockenen und war immer noch stinksauer und frustriert, bis sie das orangefarbene Blinklicht im Rückspiegel erblickte. Mit einem Mal war ihre schlechte Laune verflogen, und sie war derart erleichtert, dass sie beinahe weinen musste, auch wenn sie sich wegen dieser Schwäche sofort schämte. Der Wagen fuhr hinter ihrem Auto an den Straßenrand und parkte, wobei er das Licht eingeschaltet ließ, und dann kam eine Gestalt in einem weiten gelben Regenmantel an ihre Beifahrertür und klopfte.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Mann und beugte sich durch das jetzt geöffnete Fenster. Unter seiner Kapuze sah sie ein entwaffnendes Lächeln, aber der kalte Windstoß, der hereinfuhr, ließ sie zurückschrecken.
»Ja. Mir ist nur kalt.« Das Kleid klebte ihr an den Beinen wie eine zweite Haut. Sie hatte überlegt, sich trockene Kleidung aus ihrer Tasche zu holen, sich aber dagegen entschieden, weil sie dann später nur noch durchnässte Kleidungsstücke bei sich hätte. Sie konnte kaum glauben, wie kalt der Regen war, dabei war es doch Juli. Warum in aller Welt mussten sie sich denn auch nur in Schottland treffen?
»Ganz allein?«
»Leider ja.«
»Tja, Sie haben sich nicht gerade die beste Woche für Ihren Urlaub ausgesucht. Machen Sie bitte die Motorhaube auf, dann sehe ich mir die Sache mal an. Sie können sich gern ins Führerhaus meines Wagens setzen. Der Motor läuft noch, und da ist es auf jeden Fall wärmer.«
Er verschwand hinter der geöffneten Motorhaube, und Sarah bereitete sich innerlich darauf vor, sich erneut den Wassermassen zu stellen. Eigentlich wollte sie mit dem Mann noch über das Motorproblem reden,
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