Darkover 03 - Herrin der Falken
unschuldige Vögel und Pferde hineinziehen mußten.
Und dazu soll ich zurückkehren? Nein, nein, niemals!
Mit zitternden Händen riß sie sich den Ohrring der Schwesternschaft ab. Der Draht verfing sich und verletzte ihr Ohr, aber sie spürte den Schmerz nicht. Romilly warf den Ring zu Boden. Ein Opfer für Sonnenstern, eine Opfergabe für die Toten! Sie konnte kaum stehen. Sie hielt Umschau und sah, daß hier und da reiterlose Pferde auf dem Schlachtfeld umherwanderten. Nur eine ganz leichte Berührung mit ihrem Laran war notwendig, und eines davon kam zu ihr, den Kopf unterwürfig gesenkt. Es war jetzt zu dunkel, um zu erkennen, ob es eine Stute oder ein Wallach, ein Grauer oder Rappe oder Rotschimmel war. Romilly kletterte in den Sattel, hing über dem Sattelknopf, ließ das Pferd laufen, wie es wollte… Wohin? Gleichgültig. Nur fort von diesem Ort des Todes, fort, Freund. Ich will nicht länger dienen, weder als Soldat noch als Schwertfrau noch als Leronis. Von jetzt an diene ich keinem Mann und keiner Frau mehr. Blindlings, die Augen gegen die strömenden heißen Tränen geschlossen, ritt Romilly allein vom Schlachtfeld und in den Regen der hinein. Die ganze Nacht ritt sie, ließ das Pferd seinen eigenen Weg suchen und wußte nicht, wohin sie ritt und welche Richtung sie nahmen. Die Sonne ging auf, und Romilly saß immer noch wie leblos auf dem Rücken des Tieres, schwankte manchmal, fing sich aber immer noch rechtzeitig, um nicht zu fallen. Alles war ihr gleichgültig geworden. Sonnenstern war tot. Carolin und Orain waren fortgegangen, sie wußte nicht, wohin, und es kam auch nicht darauf an. Orain wollte nichts von ihr… sie war eine Frau. Carolin lag wie der Schwesternschaft nur daran, ihr Laran zu verwenden, um weitere unschuldige Tiere in den Tod zu schicken. Ruyven… Ruyven hatte wenig Interesse für sie, er war wie ein Mönch aus dem verfluchten Turm, wo man Teufeleien wie die Herstellung von Haftfeuer lernte…
Kein Mensch soll mir je wieder etwas bedeuten. Sie ritt den ganzen Tag durch ein verwüstetes und verlassenes Land, über das der Krieg hinweggetobt war. Am Rand des Waldes glitt sie vom Pferd und ließ es frei. »Geh, mein Bruder«, flüsterte sie, »und diene keinem Menschen, denn sie werden dich nur in den Tod schicken. Lebe frei in der Wildnis und gehe deinen eigenen Weg.«
Das Pferd blickte auf sie nieder. Sie gab ihm einen letzten Klaps und schob es weg. Einen Augenblick blieb es verwundert stehen. Dann drehte es sich um und trabte zögernd davon. Romilly tauchte in die Dunkelheit des Waldes ein. Sie war naß bis auf die Haut, aber es kümmerte sie ebensowenig wie ein Pferd sein nasses Fell. Zwischen den Wurzeln eines Baumes fand sie eine kleine Höhle. Sie kroch hinein, zog ihren Mantel dicht um sich, bedeckte ihr Gesicht, rollte sich zu einer Kugel zusammen und schlief wie eine Tote. Im Morgengrauen erwachte sie von dem Gezwitscher der Vögel, in das sich die harten Schreie der Kyorebni zu mischen schienen, die immer noch auf dem Schlachtfeld schmausten. Romilly wußte nicht, wohin sie gehen sollte, sie wollte nur fort von diesen Schreien. Benommen stellte sie sich auf die Füße und wanderte weiter in den Wald hinein, ohne sich um die Richtung zu kümmern.
Den größten Teil dieses Tages lief sie. Des Hungers war sie sich nicht bewußt. Sie bewegte sich leise wie ein wildes Tier, umging Hindernisse auf ihrem Weg und blieb unbeweglich stehen, wenn sie ein Geräusch hörte. Spät am Nachmittag stolperte sie beinahe in einen kleinen Bach, schöpfte mit den hohlen Händen und trank sich an dem klaren süßen Wasser satt. Dann legte sie sich an eine Stelle, zu der Sonnenstrahlen durch die Blätter drangen, und ließ die Feuchtigkeit aus ihren Kleidern trocknen. Sie war immer noch nicht ganz klar. Es wurde dunkel. Sie rollte sich unter einem Busch zusammen und schlief. Ein kleines Tier huschte durch das Gras und streifte sie, und sie dachte nicht einmal daran, wegzurücken.
Am nächsten Morgen schlief sie lange, und als sie erwachte, schien ihr die Sonne auf den Rücken. Vor ihr hatte eine Spinne ihr Netz gewebt, juwelenbesetzt vom Tau. Romilly betrachtete sein kompliziertes Muster und empfand zum ersten Mal seit vielen Tagen etwas wie Freude. Die Blätter glänzten im Licht. Plötzlich hüpfte ein Buschspringer auf langen Beinen daher, gefolgt von vier Miniaturausgaben, deren buschige Schwänze wie kleine bläuliche Flaggen hochstanden. Romilly hörte sich laut lachen, und sie
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