Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darkover 12 - Der verbotene Turm

Titel: Darkover 12 - Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
undeutlichen Schatten und fand sich in Leonies dortigem Zimmer wieder.
    Einmal – es war in seinem letzten Jahr gewesen – war Leonie in den Relais zusammengebrochen. Er hatte sie in ihr Zimmer getragen und auf ihr Bett gelegt. Damals hatte er keine Einzelheit des Raums bewusst wahrgenommen, aber jetzt tauchte alles skizzenhaft aus seinem Geist und seinem Gedächtnis auf...
    Nein, Damon! Avarra, erbarme dich, nein!
    Es hatte nicht in seiner Absicht gelegen, diesen längst vergangenen Tag heraufzubeschwören. Er hatte nicht den Wunsch, sich zu erinnern. – Zandrus Hölle, nein! Die Erinnerung gehörte Leonie, das wusste er, aber er wehrte sich nicht gegen ihren Vorwurf und suchte nach einem weniger gefährlichen Bild. In der Matrix-Kammer von Arilinn beobachtete er die dreizehnjährige Callista, der das Haar offen über den Rücken hing. Behutsam leitete er ihre Finger, berührte die Knoten, wo die Nerven an die Haut herantreten. Er erkannte die gestickten Schmetterlinge an den Säumen ihrer Ärmel – damals hatte er nicht darauf geachtet. Die Wirklichkeit des Bildes entnervte ihn. Waren das wieder erweckte Gedanken aus einer längst vergangenen Zeit, oder erinnerte sich die Callista von heute? Damon sah, dass sie sich Mühe gab, aber Angst vor diesem strengen Mann hatte. Er war ihres toten Bruders geschworener Freund gewesen, kam ihr jetzt jedoch gefühllos, alt, fremd und fern vor. Er war nicht mehr der ihr vertraute Verwandte, sondern ein Fremder.
    War ich so streng mit ihr, so kalt? Hast du dich vor mir gefürch tet, Callie? Zandrus Hölle, warum sind wir so hart zu diesen Kin dern?
    Leonies Hände berührten ihn über denen Callistas. Wie herb sie gewesen war, selbst damals, wie streng und gefurcht ihr Gesicht in wenigen Jahren geworden war! Aber die Zeit spulte sich weiter zurück. Callista war verschwunden, war nie dort gewesen. Er stand zum ersten Mal vor Leonie, er, ein junger Psi-Überwacher sah zum ersten Mal das Gesicht der Bewahrerin von Arilinn. Evanda! Wie schön sie gewesen war! Alle Hastur-Frauen waren schön, aber sie hatte die legendäre Schönheit Cassildas. Von neuem fühlte er die Qual der ersten Liebe, die Verzweiflung bei dem Wissen, dass sie hoffnungslos war. Aber die Zeit lief mit gnädiger Schnelligkeit noch weiter zurück. Damon war sich seines Körpers nicht mehr bewusst. Dieser Körper hatte nie existiert, Damon war ein undeutlicher Traum in einer noch undeutlicheren Dunkelheit und sah die Gesichter von Bewahrerinnen, die er nie gekannt hatte. (Bestimmt war diese hellhaarige Frau eine Ridenow seines eigenen Clans.) Im Hof wurde ein Denkmal zu Ehren Marelie Hasturs errichtet. Erschrocken sagte sich Damon, dass er einem Ereignis zusah, das drei Jahrhunderte vor seiner eigenen Geburt stattgefunden hatte. Er bewegte sich weiter den Fluss hinauf, fühlte, dass Leonie von ihm weggerissen wurde, wollte sich zu ihr zurückkämpfen...
    Ich kann nicht weiter mit dir kommen, Damon. Die Götter mögen dich schützen, Verwandter.
    Er fasste in Panik nach ihr, aber sie war fort und würde erst in hunderten von Jahren geboren werden. Er war allein, benommen, müde, in einer weiten, nebligen Dunkelheit, und nur der Schatten von Arilinn war hinter ihm. Wohin kann ich gehen? Ich könnte für immer durch das Zeitalter des Chaos wandern, ohne etwas zu erfah ren.
    Neskaya. Er wusste, dass Neskaya der Mittelpunkt des Geheimnisses war. Er ließ Arilinn sich auflösen und war in Gedankenschnelle am Turm von Neskaya, der sich vor dem Hintergrund der Kilghardberge erhob. Es war wie das Durchwaten eines kalten Bergbachs, dessen starke Strömung ihn in seine eigene Zeit mitreißen wollte. Während des Kampfes hatte er sein Ziel beinahe aus den Augen verloren. Jetzt rief er es sich mit aller Kraft wieder ins Gedächtnis zurück. Er musste eine Bewahrerin von Neskaya finden, bevor der Turm im Zeitalter des Chaos zerstört und dann wieder aufgebaut worden war. Er kämpfte sich zurück, zurück und sah den Neskaya-Turm in Ruinen liegen, vernichtet im letzten der großen Kriege jenes Zeitalters, zu Asche verbrannt, die Bewahrerin und alle ihres Kreises hingemetzelt.
    Der Turm war wieder da, aber nicht als das gedrungene Bauwerk aus Feldsteinen, das Damon hinter den Mauern der Stadt Neskaya gesehen hatte, sondern als ein hohes, leuchtendes Gebilde aus hellem blauem Stein. Neskaya! Neskaya zur Zeit seiner Glorie, bevor die Comyn bis auf die armseligen Überbleibsel seiner eigenen Zeit dahingeschwunden waren. Damon

Weitere Kostenlose Bücher