Darkover 12 - Der verbotene Turm
dich.«
»Ist das denn nicht das, was wir wollen?«
»Nicht solange die beiden Systeme überladen sind und sich gegenseitig blockieren«, stellte Damon fest. Andrew senkte den Kopf und sagte mit leiser Stimme: »Ich verspreche es.«
An Damon vorbei ging er in das Zimmer, in dem Callista lag –und blieb entsetzt stehen. Callista lag still und unbeweglich da, und einen schrecklichen Augenblick lang konnte er sie nicht atmen sehen. Ihre Augen standen offen, aber sie sah ihn nicht, und ihr Blick folgte ihm nicht, als sein Schatten zwischen sie und das Licht fiel. Grauenhafte Angst packte ihn; ein tonloser Schrei schnürte ihm die Kehle zusammen. Er fuhr herum, um Damon zu rufen, doch Damon hatte Andrews Panik bereits empfangen und kam herbeigerannt. Dann entrang sich ihm ein schwerer Seufzer der Erleichterung, beinahe ein Schluchzen.
»Es ist alles in Ordnung.« Er hielt sich an Andrew fest, als sei ihm schwindelig. »Sie ist nicht tot, sie... sie hat ihren Körper verlassen. Sie ist in der Überwelt, das ist alles.«
Andrew starrte auf die weit offenen, nichts sehenden Augen und flüsterte: »Was können wir für sie tun?«
»In ihrem augenblicklichen körperlichen Zustand wird sie nicht im Stande sein, lange zu bleiben.« In Damons Stimme mischten sich Beunruhigung, Sorge und Hoffnung. »Ich hätte nicht einmal gedacht, dass sie überhaupt stark genug dazu wäre. Aber wenn sie... « Er sprach es nicht laut aus, aber beide konnten hören: Wenn sie stark genug dazu ist, geht es ihr vielleicht nicht so schlecht, wie wir fürchten.
In den grauen Räumen der Überwelt dahintreibend, spürte Callista ihre Ausrufe und ihre Furcht, aber undeutlich, wie in einem Traum. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit war sie frei von Schmerz. Sie hatte ihren gequälten Körper zurückgelassen, war aus ihm hinausgetreten wie aus einem zu großen Kleidungsstück und in die vertrauten Reiche geglitten. Sie fühlte sich in den grauen Räumen der Überwelt Gestalt annehmen. Ihr Körper war kühl und ruhig und im Frieden, wie er früher gewesen war... Sie sah sich in die durchscheinenden Falten ihrer Robe gehüllt; sie war eine Bewahrerin, eine Leronis, eine Zauberin. Sehe ich mich immer noch als das?, fragte sie sich tief beunruhigt. Ich bin keine Bewahrerin, sondern eine verheiratete Frau, in Gedanken und im Herzen, wenn auch nicht tatsächlich„
Die Leere der grauen Welt ängstigte sie. Beinahe instinktiv suchte sie nach einer Landmarke und erkannte in weiter Ferne einen schwachen Schein. Es war in dieser Welt das Energienetz-Äquivalent des Turms von Arilinn.
Dorthin kann ich nicht gehen, dachte sie, ich habe mich losgesagt. Doch gleichzeitig empfand sie leidenschaftliche Sehnsucht nach der Welt, die sie für immer hinter sich gelassen hatte. Als habe die Sehnsucht ihre eigene Antwort geschaffen, sah sie den Schimmer heller werden. Beinahe mit Gedankenschnelle war sie dort, innerhalb des Schleiers, in ihrem eigenen geheimen Zufluchtsort, dem Garten der Düfte, dem Bewahrerinnengarten.
Langsam nahm vor ihr eine verschleierte Frau Gestalt an. Sie brauchte das Gesicht nicht zu sehen, um Leonie zu erkennen.
»Mein geliebtes Kind«, sagte Leonie. Callista wusste, es war nur ein zerbrechlicher gedanklicher Kontakt, aber so wirklich schien beiden die Anwesenheit der anderen in diesem vertrauten Refugium zu sein, dass Leonies Stimme voll, warm und zärtlicher als im Leben klang. Nur auf dieser unkörperlichen Ebene konnte Leonie es wagen, sich Emotionen hinzugeben. »Warum bist du zu uns gekommen? Ich hatte geglaubt, du seiest für immer aus unserer Reichweite verschwunden, Chiya. Oder hast du dich in einem Traum hierher verirrt?«
»Es ist kein Traum, Kiya.« Zorn brandete in ihr auf wie eine kalte Flut, die jeden Nerv umspülte. Sie hielt ihn unter Kontrolle, wie man es sie seit ihrer Kindheit gelehrt hatte, denn der Zorn der Altons konnte töten. Ihre Stimme war kalt und fordernd und wies Leonies Zärtlichkeit zurück. »Ich wollte zu dir und dich fragen, warum du einen Segen ohne Wahrheit ausgesprochen hast! Warum hast du mich belogen?« Ihre eigene Stimme klang ihr wie ein Schrei in den Ohren. »Warum hast du mich in Fesseln geschlagen, die ich nicht zerreißen konnte, so dass es ein Hohn war, als du mich in die Ehe gabst? Missgönnst du mir Glück, die du kein eigenes kennst?«
Leonie zuckte zusammen. Ihre Stimme bebte vor Schmerz. »Ich hatte gehofft, du seiest glücklich und bereits Frau, Chiya.«
»Du weißt, was du getan
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