Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
Schwierigkeiten verbunden waren, als sie sich vorstellen konnte. Beinahe wäre sie am Einsetzen der Schwellenkrankheit im Erwachsenenalter gestorben – eine Erfahrung, die sie gnädigerweise fast schon vergessen hatte.
Ashara war beim Bau von Burg Comyn dabei gewesen, und nach ihrem Tod war ihr Schatten im mittlerweile zerstörten Alten Turm an einer Seite der Burg gegenwärtig geblieben. So gab es also vergessene Seitenwege, Räume und Durchgänge, die Marguerida ebenso vertraut waren wie die Linien ihrer Hand. Dieses Wissen war beunruhigend, und sie musste es sorgfältig verbergen, denn es machte die Dienerschaft nervös.
Der Umgang mit dem Personal war eine echte Herausforderung gewesen, da Marguerida mehr daran gewöhnt war, Dinge selbst zu erledigen, als sie zu befehlen. Und die Verwaltung von Burg Comyn war ein wesentlich größeres Unterfangen, als Reisepapiere und Gepäck in Ordnung zu halten. In vielerlei Hinsicht war das Gebäude wie eine autarke Stadt, mit eigener Brauerei, Bäckerei und selbst einer kleinen Weberei. Es war ständig mit Vorräten wie für eine Belagerung versorgt, und zu Margueridas Aufgaben hatte es gehört, das Haus gegen alle erdenklichen Notlagen zu wappnen.
Auch wenn Marguerida vor zweiundvierzig Jahren auf Darkover zur Welt gekommen war, hatte sie ihr halbes Leben auf anderen Planeten verbracht, und ein Teil von ihr fühlte sich immer noch als Eindringling. Ihr Vater sagte, ihm gehe es oft genauso, und es tröstete sie, dieses Gefühl der Fremdheit mit ihm zu teilen. Während ihrer gesamten Universitätszeit war sie von ihm entfremdet gewesen, aber als sie sich bald nach ihrer Rückkehr nach Darkover wieder begegnet waren, hatte sie ihn verändert vorgefunden. Nun konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen – seinen ironischen Humor, seine tiefen Einsichten und, vor allem, seine gleich bleibende Zuneigung zu ihr, Mikhail und allen seinen Enkeln. Er war nicht mehr der betrunkene, gepeinigte Mann, der nachts tobte, und selbst der Tod seiner Frau Diotima Ridenow vor zehn Jahren hatte ihn erstaunlicherweise nicht wieder in diesen früheren Zustand gebracht.
Doch trotz der verständnisvollen Gegenwart ihres Vaters war Margueridas Gefühl des Fremdseins nie ganz verschwunden. Unter anderem war das die Folge ihrer schwierigen Beziehung zu Javanne Hastur. Mikhails Mutter hatte sie nie ganz als Familienmitglied akzeptie rt, auch wenn sein Vater, Dom Gabriel, den Widerstand schließlich aufgab und sie mit aufrichtiger Zuneigung willkommen hieß. Javanne hatte es stets verstanden, Marguerida das Gefühl zu vermitteln, etwas stimme nicht mit ihr und mit Domenic, ihrem Ältesten, den sie unter so ungewöhnlichen Umständen empfangen hatte – nämlich während der Rückreise durch die Zeit aus dem Zeitalter des Chaos. Möglicherweise hatte ihre Schwiegermutter sogar Recht, was Domenic anging, obwohl sich Marguerida eher die Zunge abgebissen hätte, als das zuzugeben. Er war ein seltsamer Bursche, der älter wirkte, als er war, zurückhaltend und distanziert. Aber der Unterschied reichte noch tiefer, und Marguerida wusste es. Ihr ältestes Kind hatte einen leicht unheimlichen Zug an sich, eine gewisse Stille, die den Eindruck erweckte, als lauschte er auf eine ferne Stimme. Und vielleicht tat er es tatsächlich, oder er war, wie Dom Danilo Syrtis Ardais einmal halb im Scherz gemeint hatte, die Reinkarnation von Varzil Ridenow. Das wollte Marguerida nicht hoffen, denn nach ihrem einzigen Zusammentreffen mit dem längst toten Laran zu verspürte sie nicht das geringste Verlangen, ihm in anderer Form noch einmal zu begegnen – am allerwenigsten in der ihres Sohnes.
Sie versuchte zu akzeptieren und damit fertig zu werden, dass ihre Schwiegermutter sie nicht mochte. Immerhin war diese Regis’ ältere Schwester und gehörte zur Familie. Ein wenig tröstete sie die Tatsache, dass Javanne Gisela Aldaran, die inzwischen die Frau von Mikhails älterem Bruder Rafael war, sogar noch unhöflicher behandelte. Das war so ziemlich das einzige, was sie und ihre Schwägerin gemeinsam hatten, denn Marguerida hatte sich nie mit ihr anfreunden können, und deren ständige Anwesenheit auf Burg Comyn konnte mitunter eine echte Prüfung sein. Sie hatte sich redlich Mühe gegeben, sich mit ihrer Schwägerin zu versöhnen, hatte an Giselas Ahnenforschung in den Domänenfamilien Interesse gezeigt und auch am Schachspiel. Einmal zu Mittwinter war es ihr sogar gelungen, ein dreidimensionales Schachspiel
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