Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
sie hatte ihn tief verletzt.
Dabei hatte sie das gewiss nicht gewollt. Auch wenn sie in ihrer Jugend völlig in Mikhail Hastur vernarrt gewesen war, wusste sie nun, dass es weiter nichts gewesen war, eine mädchenhafte Zuneigung, verbunden mit dem noch stärkeren Wunsch nach Macht. Nach ihrer gnädigerweise kurzen Ehe mit ihrem ersten Mann, der die Güte hatte, sich beim Jagen den Hals zu brechen, bevor sie Mittel und Wege fand, ihn zu ermorden, hatte sie sich geschworen, sich nie wieder zur Schachfigur ihres Vaters machen zu lassen. Und der beste Weg dazu schien ihr damals eine Heirat mit Mikhail zu sein, durch die sie zur Gattin des designierten Erben wurde. Was für eine Närrin sie doch war!
Nichts stellte sie zufrieden, und sie wusste, das lag an ihrem eigenen Charakter und an nichts anderem. Jahre bitterer Nabelschau hatten Narben auf ihrer Seele hinterlassen, obwohl sie sich heftig bemühte, ihrer Existenz einen Sinn zu verleihen. Da waren die Kinder, aber sie hatte nie vermocht, mehr als ein gespieltes Interesse für sie aufzubringen. Und da war Rafael, die einzige Konstante in ihrem Leben. Seltsam eigentlich, wie sie ihren Mann mit der Zeit zu schätzen gelernt hatte, obwohl seine Nachsicht und sein stummes Erdulden sie mit den Zähnen knirschen ließen. Wenn er sie doch nur manchmal anschreien würde. Sie wünschte, er würde ihr Manieren beibringen, und wusste, er würde es nie tun. Das war seine Charakterschwäche, so wie Missgunst die ihre war.
Gisela hörte ihn kommen, bevor er den Raum betrat, diesen besonderen Schritt, den sie überall erkannt hätte. Dann war er neben ihr, seine Kleidung roch nach der frischen Luft außerhalb der Burg, nach Holzkohlenfeuer und der warmen Ausdünstung von Pferden. Er hatte Herm vom Raumhafen abgeholt und kam eben zurück. Er beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf die Stirn.
»Und, geht es meinem Bruder gut?« Sie zwang sich zu ein wenig Interesse, wenngleich sie sich wie durch eine dicke Watteschicht zurück in die Gegenwart schleppen musste.
»Ja, allerdings ist er sehr müde. Seine Frau und die Kinder sehen aus, als kämen sie aus einer von Zandrus Höllen.«
»Es ist schwer, sich Herm vermählt vorzustellen. Wie ist sie?«
»Naja, ich kenne sie jetzt seit einer Stunde, und die meiste Zeit hat sie ihm mächtig Zunder gegeben, weil er sie nach Darkover geschleift hat.« Er lachte leise. »Sie ist sehr hübsch dunkles Haar, helle Haut und ein nettes Lächeln. Auch klug, glaube ich, und nicht leicht unterzukriegen. Mir hat sie gefallen.«
»Wieso?« Der Dämon der Missgunst streckte seine Klauen aus, eifersüchtig auf alles und jeden.
»Ähm … ich kann es nicht genau erklären. Sie ist müde und durcheinander – sie heißt übrigens Katherine – aber sie hat Haltung bewahrt. Ich habe die Fragen gehört, die sie ihm stellte, warum er sie und die Kinder weggebracht hat, und ihr ist so gut wie nichts entgangen, obwohl er sich alle Mühe gegeben hat, sich aus der Sache herauszuwinden.« »Wenigstens das hat sich nicht geändert. Hermes … schwindelt gerne. Ich sollte wohl hinübergehen und sie begrüßen, oder?«
»Wenn du dich dazu aufraffen kannst.« Sie hörte die leise Kritik aus seinen Worten und zuckte zusammen – manchmal dachte sie, es wäre ihr fast lieber, wenn er sie schlagen würde.
»Morgen reicht allerdings auch noch.«
»Ja, dann morgen.« Hübsch und klug – Gisela hasste die Frau praktisch jetzt schon.
3
Mikhail Hastur stand langsam auf und streckte sich. Seine Wirbelsäule knackte hörbar in der Stille des Krankenzimmers, und Lady Linnea, die auf der anderen Seite des Bettes saß, blickte auf, sie sah abgespannt und erschöpft aus.
Mikhail hatte seit Stunden völlig still dagesessen und sich auf die reglose Gestalt auf dem Bett konzentriert. Seine rechte Hand mit der großen Matrix in Form eines Ringes, die er von Varzil dem Guten bekommen hatte, schmerzte von der Energie, die er durch sie hindurchgetrieben hatte.
Wie so oft, seit er im Besitz der Matrix war, hatte er sich eingebildet, Varzils ruhige Stimme zu hören, die durch die Zeit drang, um ihn zu beraten. Er konnte nie entscheiden, ob es nur an seiner eigenen Fantasie lag oder ob der längst verstorbene Laran tatsächlich durch die Matrix, die einst ihm gehört hatte, aus der Oberwelt zu ihm sprach. Nach fünfzehn Jahren spielte es keine Rolle mehr für Mikhail. Dennoch blieb es störend, die Worte im Kopf zu hören. Diesmal vermittelten sie weder Trost noch Ermutigung,
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