Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Tante Berta im Wohnzimmer – Pupse gehen vielleicht noch, wenn du sie ganz leise raustwitschen lässt. Fest eher ungut.«
Der äußere Schließmuskel versteht und verschließt sich voller Loyalität noch fester als zuvor. Dieses Signal bemerkt dann auch der innere Schließmuskel und respektiert erst mal die Entscheidung seines Kollegen. Die beiden verbünden sich und schieben den Testhappen in eine Warteschleife. Raus muss es irgendwann, nur eben nicht hier und jetzt auch nicht. Einige Zeit später wird es der innere Schließmuskel einfach noch mal mit einem Testhappen probieren. Sitzen wir mittlerweile gemütlich zu Hause auf dem Sofa: freie Fahrt!
Unser innerer Schließmuskel ist ein solides Kerlchen. Sein Motto ist: Was raus muss, muss raus. Und da gibt es auch nicht besonders viel zu interpretieren. Der äußere Schließmuskel muss sich immer mit der komplizierten Welt beschäftigen: Theoretisch könnte man ja schon die fremde Toilette benutzen, oder doch lieber nicht? Kennen wir uns mittlerweile nicht schon gut genug, als dass man auch voreinander pupsen dürfte – muss ich der Erste sein, der das Eis bricht? Wenn ich jetzt nicht aufs Klo gehe, dann kann ich erst wieder heute Abend, und das kann im Laufe des Tages unangenehm werden!
Die Gedanken der Schließmuskeln klingen vielleicht nicht unbedingt nobelpreisverdächtig, aber eigentlich sind es grundlegende Fragen unserer Menschlichkeit: Wie wichtig ist uns unsere Innenwelt, und welche Kompromisse gehen wir ein, um mit der Außenwelt gut klarzukommen? Der eine verkneift sich auf Teufel komm raus den unangenehmsten Pups, bis er sich mit Bauchweh nach Hause quält, der andere lässt sich bei der Familienfeier von Oma am kleinen Finger ziehen und initiiert den eigenen Pups lautstark als unterhaltsame Zaubershow. Langfristig liegt der beste Kompromiss vielleicht irgendwo zwischen beiden Extremen.
Wenn wir uns häufig hintereinander verbieten, auf die Toilette zu gehen, obwohl wir müssten, schüchtern wir den inneren Schließmuskel ein. Wir können ihn damit sogar richtig umerziehen. Die umliegende Muskulatur und er sind dann so oft vom äußeren Schließmuskel diszipliniert worden, dass sie entmutigt sind. Wenn die Kommunikation der beiden Schließmuskeln eisig wird, können sogar Verstopfungen entstehen.
Ganz ohne gezielte Klogang-Unterdrückung kann das auch bei Frauen passieren, während sie ein Kind gebären. Dabei können feine Nervenfasern kaputtgehen, über welche die beiden Schließmuskeln sonst kommunizieren. Die gute Nachricht: Auch Nerven können wieder zusammenwachsen. Egal, ob die Schäden durch eine Entbindung hervorgerufen wurden oder sonst wie, hier bietet sich eine sogenannte Biofeedback-Therapie an. Damit lernen die Schließmuskeln, die sich auseinandergelebt haben, wieder miteinander zurechtzukommen. Diese Behandlung wird in ausgewählten gastroenterologischen Praxen durchgeführt. Eine Maschine misst, wie produktiv der äußere Schließmuskel mit dem inneren zusammenarbeitet. Klappt es gut, wird man mit einem Ton oder einem grünen Signal belohnt. Es ist wie bei einer abendlichen Quizshow, bei der die Bühne leuchtet und klimpert, wenn man etwas richtig beantwortet – nur eben nicht im Fernsehen, sondern bei einem Arzt und mit einer Sensorelektrode im Po. Das Ganze lohnt sich: Wenn Innen und Außen wieder miteinander klarkommen, sucht man gleich viel munterer das stille Örtchen auf.
Schließmuskeln, Sensorzellen, Bewusstsein und Popo-Elektroden-Quizshows – diese ausgeklügelten Details hatte mein Mitbewohner nicht als Antwort erwartet. Die Geburtstagsrunde anständiger BWL -Studentinnen, die mittlerweile in unserer Küche eingetroffen war, ebenfalls nicht. Der Abend wurde trotzdem lustig, und mir wurde klar, dass das Thema »Darm« im Grunde viele Menschen interessiert. Es kamen einige gute neue Fragen auf. Stimmt es, dass wir alle falsch auf dem Klo sitzen? Wie kann man leichter rülpsen? Wieso können wir aus Steak, Apfel oder Bratkartoffeln Energie machen, während ein Auto nur bestimmte Sorten Benzin verträgt? Wozu gibt es den Blinddarm, und warum hat Kot immer die gleiche Farbe?
Meine Mitbewohner kennen mittlerweile schon genau meinen Gesichtsausdruck, wenn ich in die Küche rase und die neusten Darm-Anekdoten erzählen muss – wie beispielsweise die von winzigen Hocktoiletten und leuchtenden Klogängen.
Sitze ich richtig auf dem Klo?
Es ist empfehlenswert, von Zeit zu Zeit Gewohnheiten zu hinterfragen. Laufe ich wirklich
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