Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Nerven überall in den Körper sprießen. Der dritte Schlauch durchzieht uns einmal von oben nach unten. Das ist das Darmrohr.
Das Darmrohr richtet unsere Innenwelt ein. Es bildet Knospen, die sich nach rechts und links immer weiter ausbuchten. Diese Knospen werden unsere Lungen. Ein Stückchen weiter unten stülpt sich das Darmrohr aus und bildet unsere Leber. Es formt auch die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse. Vor allem aber beginnt der Schlauch selbst immer trickreicher zu werden. Er ist bei den aufwendigen Mundbauarbeiten beteiligt, formt eine Speiseröhre, die »breakdancen« kann, und bildet einen kleinen Magenbeutel, damit wir Essen ein paar Stunden speichern können. Zu guter Letzt kreiert das Darmrohr sein Meisterwerk, nach dem es letztendlich benannt wurde: den Darm.
Die beiden »Meisterwerke« der anderen Schläuche – Herz und Hirn – genießen hohes Ansehen. Das Herz gilt als lebenswichtig, weil es Blut durch den Körper pumpt, das Hirn wird bewundert, weil es sich jede Sekunde erstaunliche Gedankengebilde ausdenkt. Der Darm aber, so glauben die meisten, geht währenddessen höchstens mal aufs Klo. Sonst hängt er wahrscheinlich lässig im Bauch rum oder pupst ab und zu. Besondere Fähigkeiten kennt man von ihm eigentlich keine. Man könnte sagen, wir unterschätzen das ein wenig – ehrlich gesagt, unterschätzen wir es nicht nur, wir schämen uns sogar oft für unser Darmrohr. Darm mit Scham!
Daran soll dieses Buch etwas ändern. Wir versuchen mal, was man mit Büchern so wunderbar kann – der sichtbaren Welt wahrhaft Konkurrenz zu machen: Bäume sind keine Löffel! Und der Darm hat eine Menge Charme!
Wie geht kacken? – … und warum
das eine Frage wert ist
Mein Mitbewohner kam in die Küche und meinte: »Giulia, du studierst doch Medizin – wie geht kacken?« Es wäre sicher keine gute Idee, mit diesem Satz meine Memoiren zu beginnen, aber diese Frage hat sehr viel für mich verändert. Ich ging in mein Zimmer, setzte mich auf den Boden und wälzte drei verschiedene Bücher. Als ich die Antwort fand, war ich völlig baff. Etwas so Alltägliches war viel klüger und beeindruckender, als ich jemals gedacht hätte.
Unser Klogang ist eine Meisterleistung – zwei Nervensysteme arbeiten gewissenhaft zusammen, um unseren Müll so diskret und hygienisch wie möglich zu entsorgen. Kaum ein anderes Tier erledigt dieses Geschäft so vorbildlich und ordentlich wie wir. Unser Körper hat dafür allerlei Vorrichtungen und Tricks entwickelt. Es fängt schon damit an, wie ausgetüftelt unsere Schließmechanismen sind. Fast jeder kennt immer nur den äußeren Schließmuskel, den man gezielt auf- und zubewegen kann. Es gibt einen ganz ähnlichen Schließmuskel, wenige Zentimeter entfernt – nur können wir ihn nicht bewusst steuern.
Jeder der beiden Schließmuskeln vertritt die Interessen eines anderen Nervensystems. Der äußere Schließmuskel ist treuer Mitarbeiter unseres Bewusstseins. Wenn unser Gehirn es unpassend findet, jetzt auf die Toilette zu gehen, dann hört der äußere Schließmuskel auf das Bewusstsein und hält so dicht, wie er eben kann. Der innere Schließmuskel ist der Vertreter unserer unbewussten Innenwelt. Ob Tante Berta Pupse mag oder nicht, interessiert ihn nicht. Ihn interessiert einzig und allein, ob es uns im Inneren gut geht. Drückt ein Pups? Der innere Schließmuskel will uns alles Unangenehme vom Leib halten. Ginge es nach ihm, könnte auch Tante Berta öfter pupsen. Hauptsache, im Innenleben ist alles gemütlich, und es zwickt nichts.
Diese beiden Schließmuskeln müssen zusammenarbeiten. Wenn unsere Verdauungsreste beim inneren Schließmuskel ankommen, macht dieser reflexartig auf. Er lässt allerdings nicht einfach alles auf den äußeren Schließmuskelkollegen los, sondern erst einmal nur einen Testhappen. In dem Raum zwischen innerem und äußerem Schließmuskel sitzen viele Sensorzellen. Diese analysieren das angelieferte Produkt darauf, ob es fest oder gasförmig ist, und schicken ihre Information hoch an das Gehirn. In diesem Moment merkt das Gehirn: Ich muss aufs Klo!, … oder vielleicht auch nur pupsen. Es macht dann, was es mit seinem »bewussten Bewusstsein« so gut kann: Es stellt uns auf unsere Umwelt ein. Dazu nimmt es Informationen von Augen und Ohren und zieht seinen Erfahrungsschatz hinzu. In Sekundenschnelle entsteht so eine erste Einschätzung, die das Gehirn zurück an den äußeren Schließmuskel funkt: »Ich habe geguckt, wir sind gerade bei
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