Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
selbstgefällig einen Eingriff in die Natur vornehmen, sie zu verändern und auch zu zerstören glauben, hüllen unsere Zugehörigkeit zum diesem
Systema Naturae
in ein fragwürdiges Licht. Mit der Gentechnik spielen wir Gott, mit unserer Industrie zerstören wir die Umwelt, verpesten mit den Abgasen die Atmosphäre. Wir demolieren die schützende Ozonschicht, provozieren einen Klimawandel, arbeiten mit Kriegen und Terror an der eigenen Ausrottung. Andererseits aber versuchen wir mit Medizin und Wissenschaft unsere Lebensspanne zu verlängern, unsere Daseinsberechtigung zu untermauern. Wo gehen wir hin, koppeln wir uns von der Natur ab oder werden wir immer Teil von ihr sein? Es ist an der Zeit, sich Klarheit zu verschaffen. Wir haben zwei Alternativen. Entweder halten wir uns wirklich für so außergewöhnlich, dass wir uns vom übrigen Tier- und Pflanzenreich komplett abkoppeln, uns quasi als Beobachter vom natürlichen System separieren. In der Konsequenz dürfen wir uns dann aber auch nicht mehr als Objekt der natürlichen Evolution ansehen, auf das deren Gesetzmäßigkeiten fortan noch anwendbar sind. All unser Handeln ist dann als „künstlich“ anzusehen, als äußeres Eingreifen mit dem Ziel der Steuerung. Die zweite Möglichkeit: Wir sind ein gewöhnliches, nicht privilegiertes Produkt einer Evolution, die kein „künstlich“ kennt. Was heißt das? Wenn wir, wie jedes andere Tier, Teil des natürlichen Systems sind – quasi eine unter vielen Früchten auf dem biologischen Stammbaum –, dann ist auch alles, was wir tun und hervorbringen, als natürlich zu betrachten, also auch jeder Zusatz- und Konservierungsstoff in der Nahrung, jeder sogenannte Kunststoff, all unsere Industrieabgase, Jumbojets, Kaffeemaschinen und Plastiktüten. Denn letztlich wurde all das ja aus natürlichen Ausgangsstoffen von einem natürlichen Lebewesen erschaffen. Wenn der Mensch Natur ist, gibt es keine Künstlichkeit! Eine andere Sichtweise, also den „Organismus Mensch“ als natürlich, seine Produkte aber als künstlich zu definieren, führt uns in ein Paradoxon vergleichbar dem des berühmten Dorfbarbiers. Von ihm war bekannt, dass er alle nicht bärtigen Männer seines Dorfes rasierte, die das nicht selbst taten. Alle übrigen Bartlosen, die selbst zum Messer griffen, gehörten logischerweise nicht zu seinen Kunden. Diese Regel geht solange auf, wie der Barbier nicht an seine eigene Situation denkt. Wer rasiert ihn, wenn er im eigenen Gesicht die Stoppeln stutzt? Rasiert er sich dann selbst oder tut es der Barbier? Wenn er sich selbst rasiert, schert ihn nach obiger Regel ja nicht der Barbier. Rasiert ihn aber der Barbier, tut er dies nicht selbst. Rasiert er sich nun selbst oder nicht? Es gibt nur einen Ausweg aus dieser Zwickmühle: Er muss sich einen Bart stehen lassen. Der Mensch hat diesen Fluchtweg hinsichtlich seiner Stellung in der biologischen Evolution nicht. Er kann den Barbier nicht vom Selbstrasierer trennen. In seinem Fall heißt das: Er kann seine natürlichen von etwaigen künstlichen Komponenten nicht abkoppeln. Wo sollte man hier die Grenze ziehen? Es gibt nur zwei Alternativen. Entweder sind wir 100%iger Naturbestandteil, und dann sind auch all unsere sogenannten Kunstprodukte Natur. Oder aber wir glauben, unser Handeln von den Gesetzen der natürlichen Evolution abkoppeln zu müssen. Dann ist diese Trennung aber auch komplett zu vollziehen. Ein bisschen schwanger geht nun mal nicht. Der Mensch muss sich entscheiden: Bin ich Natur mit all meinem Handeln und allem, was ich hervorbringe, oder bin ich ein externer „Künstler“. Rein physiologisch dürfte ein Ausstieg allen Fortschritten von Medizin und Gentechnik zum Trotz unmöglich sein. Auf all seine Kunst, Kultur usw. zu verzichten – was als Bekenntnis zur Natur dem Stehen eines Bartes im Barbier-Paradoxon gleichkäme – darf wohl als reichlich unrealistisch angesehen werden. Die Frage, ob unsere kulturelle Evolution heute noch den Gesetzen des biologischen Prototyps folgt, wird ein Diskussionsthema bleiben. Aber unsere natürlichen Wurzeln werden auf absehbare Zeit entscheidend unsere Überlebensfähigkeit bestimmen. Unbeeindruckt von solchen Überlegungen sehen Darwins Gegner im Menschen die einzige Spezies, auf die der ihrer Meinung nach von Gewalt dominierte Darwinismus passt. Die Skrupellosesten und Gewaltbereittesten seien demnach die Erfolgreichsten. Diese Betrachtungsweise ist mehr als oberflächlich. Hier wird kurzzeitiger Macht- und
Weitere Kostenlose Bücher