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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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ziemlich dicht am Abgrund. Fest steht, den Gesetzen der Natur sind wir nicht gewachsen und einen evolutionären Bonus haben wir mit Sicherheit nicht. Treiben wir’s zu bunt, wird das Kapitel Mensch geschlossen werden.
    Was hat diese Diskussion um die menschliche Existenz nun mit der Beurteilung der Evolutionstheorie zu tun? Die Kritiker behaupten, das rabiate, kriegerische Machtstreben des Homo sapiens hätte im Falle des Zutreffens der Darwin’schen Selektionsprinzipien bereits in einem Frühstadium ausgemerzt werden müssen, es sei denn, man definiert die Darwin-Fitness als Fähigkeit, ein rücksichtloses Machtstreben zu praktizieren. Das Modell funktioniere demnach nur bei Erhebung des Mordens zur Erfolgsstrategie. Das, was wir sonst in der Natur an Kooperation und Harmonie finden, hätte keinen Platz in einem derartigen Umfeld.
    Der Fehler dieser Einschätzung: Genau betrachtet basieren die bisherigen Erfolge des menschlichen Erdendaseins gerade nicht auf seinen Untaten. Letztlich wurden diesen, wie beschrieben, sämtlich Riegel vorgeschoben – schmerzlich und verlustreich zwar und nach unserem Empfinden oft zu spät, aber dennoch definitiv. Keiner der grausamen Machenschaften hat die Selektion überlisten können, keiner der selbsternannten Diktatoren hat sein Ende verhindern können. Bislang waren die humanen „Frevel“ Gott sei Dank nicht groß genug, der gesamten Menschheit den selektiven Dolchstoß zu versetzen. Hoffen wir, dass unsere selbst gelobte Intelligenz uns vor allzu gefährlichem Größenwahn bewahrt. „Big selection is watching us“ – und sie wird handeln, gnadenloser als wir selbst. Wo die Grenze liegt? Wir sollten nicht versuchen, uns ihr so weit wie möglich anzunähern! Dass eine Art aktiv an ihrer eigenen Vernichtung arbeitet, wäre vielleicht eine Premiere, das Phänomen eines globalen Massensterbens dagegen ist es keineswegs. Paläontologen gehen anhand ihrer fossilen Funde heute davon aus, dass es im Laufe der Geschichte des irdischen Lebens mindestens fünf große und eine ganze Reihe kleinerer Artensterben gegeben hat:
    • Im Präkambrium, vor circa 650 Millionen Jahren, starben gut 70 Prozent aller damals rezenten Arten von Flora und Fauna aus.
    • Im Ordovizium, vor circa 445 Millionen Jahren, raffte ein zweites Massensterben rund ein Drittel aller wasserlebenden Arten dahin.
    • Auch im Devon, vor circa 350 Millionen Jahren, kam es vor allem zu einer marinen Aussterbewelle.
    • Die größte Katastrophe hat sich wahrscheinlich im Perm vor rund 248 Millionen Jahren abgespielt. 70 Prozent der Landlebewesen und 90 bis 95 Prozent aller marinen Lebensformen traten von der Lebensbühne ab. Dieses Massensterben leitete dann den Siegeszug der Saurier ein, die nun in die frei gewordenen ökologischen Nischen stießen. Rund 180 Millionen Jahre später sollte sie das gleiche Schicksal ereilen.
    • In der Kreidezeit, vor 65 Millionen Jahren, eröffnete das Sauriersterben den Weg für die Entwicklung der Säugetiere. Wann dieses Kapitel geschlossen wird, kann niemand vorhersagen. Betrachtet man die Zeiträume, die bislang zwischen den drastischsten Ausrottungen lagen, haben wir vielleicht noch etwas Zeit. Eine Garantie gibt es jedoch nicht. Die Hoffnung, dass es mit der regelmäßigen Wiederholung umfassender Aussterbewellen, die vor allem die dominierenden Lebensformen betreffen, demnächst ein Ende hat, entbehrt jeder erklärbaren Grundlage. Vermutlich werden wir irgendwann abtreten – selbst wenn wir uns fortan vorbildlich benehmen.
    Möglicherweise sind derartige Massenvernichtungen wichtig für größere evolutionäre Umwälzungen. Dabei lässt sich ein grundlegendes Muster erkennen. Es scheint, dass in allen Fällen umfassender, viele etablierte Arten dahinraffender Aussterbewellen neue ökologische Nischen für zuvor unscheinbare Formen geöffnet werden, die dann eine unter den früheren Bedingungen kaum mögliche Entwicklung nehmen. Somit bedeutet jede dieser Katastrophen eine Art Neuanfang, der für die Variabilität des Lebens bedeutsam sein dürfte. Es gibt keine Gründe anzunehmen, dass die Evolution zukünftig von diesem Prinzip abweicht. Das umfassende Ausrotten der eine bestimmte Erdepoche dominierenden Lebensformen scheint ein entscheidend die Formendiversität prägendes Merkmal der Evolution zu sein.
    An dieser Stelle sei noch einmal ein kleiner Seitenblick gestattet, der das bisweilen so gegensätzlich propagierte Verhältnis zwischen religiösem Glauben und

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