Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
heraus. Evolution war also offensichtlich mehr als bloße Entfaltung von Präformiertem. Seit Darwin nun haben wir mit den Werkzeugen der Mutation, Selektion und den weiteren Entwicklungsfaktoren ein sehr viel dezidierteres Verständnis von dem, was Evolution ausmacht. Die Kritiker sehen darin eine rhetorische Verdrehung. Evolution stehe der etymologischen Bedeutung nach lediglich für Enthüllung von Vorhandenem – ganz in der Tradition der Präformisten. Die Darwinisten hätten diesen Begriff nun entwendet und ins Gegenteil, nämlich die ungeplante, ungerichtete Entstehung neuer Lebensformen, verkehrt. Das sei ein Widerspruch in sich selbst. Ebenso verhielte es sich mit dem Selektionsbegriff. Bei Darwins natürlicher Selektion handele es sich um keine Auswahl oder Auslese, sondern um ungezielte Ausmerzung. Ferner sei Anpassung im Evolutionsmodell gar keine solche, sondern ein zufälliges „Angepasstsein“.
Leicht lässt sich hier die immer wiederkehrende Leier erkennen. Die Nicht-Zufälligkeit der richtungsweisenden Selektionskomponente wird völlig unter den Tisch gekehrt. Und was den Faktor Anpassung betrifft, hat kein Darwinist je von aktiver Adaptation an irgendwelche Umweltbedingungen gesprochen, die vererbt würden. Vielmehr wird stets die selektive Begünstigung „angepasster“ Mutanten betont. Verwechseln die Kritiker hier Darwin mit Lamarck, dessen Irrtum von der Vererbung durch willkürlich adaptiven „Organgebrauch“ erworbener Eigenschaften ja nun zweifelsfrei nachgewiesen und allgemein akzeptiert ist? (Die noch nicht hinreichend geklärten epigenetischen Vererbungsmechanismen können hier unberücksichtigt bleiben, da sie nicht die von Lamarck beschriebenen – wie wir heute wissen, von Genen codierten – Merkmale betreffen.)
Die Darwingegner aber meinen, bei der Wortwahl der Evoutionisten handele es sich um unzulässige sinnentstellende Begriffsentwendungen. Diese bewussten rhetorischen Verdrehungen seien nichts anderes als Teil einer großen Vertuschungsstrategie, mit der man die Schwächen der Evolutionstheorie zu kaschieren versuche. Dazu fällt einem nun wirklich nichts mehr ein. Welchen Namen man einem Kinde gibt, ändert doch nichts an den Fakten. Selbst wenn ich meine Tochter Franz oder Peter nenne, weil ich mir immer einen Sohn gewünscht habe, wird die Kleine ein Mädchen bleiben und unter natürlichen Bedingungen (ohne das Eingreifen von Chirurgen und Endokrinologen) zeitlebens den femininen Pfad nicht mehr verlassen. Überdies ist es einfach falsch, zu behaupten, Evolution bedeute dem Sinne nach einzig die Entfaltung von bereits Ausgebildetem. Auf die Genese ganz neuer Formen und Merkmale passt der Begriff nicht minder. Aber selbst wenn irgendetwas im Evolutionsmodell irgendwelche etymologischen Wahrheiten verletzen sollte, hat dies doch rein gar nichts mit faktischer Fehlerhaftigkeit zu tun. Begriffliche Missverständnisse haben keinerlei Einfluss auf natürliche Gesetzmäßigkeiten. Eine Kritik an der vielleicht von eigenen Vorstellungen abweichenden darwinistischen Begriffserklärung ist doch kein Argument gegen das Zutreffen des Evolutionsgeschehens in der Natur. Sprache ist ein erlerntes Kommunikationsmittel ohne Einfluss auf biologische, chemische und physikalische Abläufe. Wozu also diese sprachlichen Haarspaltereien? Resultieren sie etwa aus Mangel an sachlichen Argumenten? Derartige Angriffsversuche richten am Evolutionsgebäude etwa so viel Schaden an, wie eine Seifenblase an einer Bunkerwand, und der Bläser gibt sich damit allenfalls der Lächerlichkeit preis.
Streiten um des Kaisers Bart – Wie gut, dass Darwin englisch schrieb
Auch wenn’s der Sache wenig dienlich ist: Die Verstrickung in Wortbedeutungsinterpretationen ist eine nur allzu oft anzutreffende Ablenkungsstrategie zur Tarnung von Schwächen. Es verwundert kaum, dass sich auch die Darwingegner dieser Praktik bedienen. Dabei kommt ihnen noch zugute, dass der Engländer Darwin in seiner Muttersprache schrieb. Das eröffnet im Rahmen der Übersetzung zusätzliche Verkomplizierungsmöglichkeiten. Vokabeln wie „
struggle“, „competition“, „challenge“, „rivalry“,
überhaupt alle englischen Begriffe, die mit Konkurrenz, Wettkampf, Wetteifern oder Auseinandersetzung zu tun haben, werden von den Kritikern fast durchgehend mit „
Krieg
“ übersetzt. Diese einseitige Bevorzugung zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll. Neutralität und Unvoreingenommenheit schauen anders aus. Es soll hier
Weitere Kostenlose Bücher