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Mythos Rega
Eine Einleitung
Das modernste Luftrettungssystem der Welt, im Inland geliebt und bewundert, im Ausland als Organisation und Partnerin respektiert. Kein Schweizer Unternehmen ist angesehener, keine Institution geniesst grösseres Vertrauen als die Rega. Keine Marke glänzt heller. Diese Einzigartigkeit hat mindestens vier Gründe.
Erstens: Die Rega ist ein quasi volkseigener Betrieb. Das Rückgrat bilden 2,380 Millionen Gönnerinnen und Gönner. Was solch ein direktes Engagement bewirken kann, erlebte die Rettungsflugwacht erstmals 1956: Angeregt von Chefpilot Hermann Geiger, organisierte der Verband Schweizer Konsumvereine (heute Coop) durchs ganze Jahr eine landesweite Sammlung. Im Topf lagen schliesslich 500 000 Franken. Der erste Helikopter wurde bestellt.
2010 gewann die Rega 84 000 neue Gönner, 2011 sogar 86000. Schon träumt CEO Ernst Kohler vom Tag, an dem der Gönnerausweis so selbstverständlich sein wird wie die Identitätskarte. Dieses Ziel vor Augen, wird der Rega-Gedanke unermüdlich und fantasievoll verbreitet – vor allem das jugendliche Interesse geweckt. Ein Kindertraum, der Ferienjob im Hangar des Rega-Centers Zürich-Kloten. Buben und Mädchen polieren Helis und Jets, Hunderte über die Jahre – lauter künftige Gönner –, und schreiben danach euphorische Dankeskarten: «Rega forever!»
Zweitens: Die Rega ist die Verbündete gegen Schicksalsschläge. Die Rega macht, sagt sie, jederzeit das Menschenmögliche. Holt Bergsteiger aus steilsten Flanken, Gleitschirmflieger von den Bäumen, blockierte Passagiere aus der Seilbahn. Verstiegene, verirrte, unterkühlte Wanderer. Sie rettet den bewusstlosen Fischer aus dem Bach, die Fallschirmspringerin von der Hochspannungsleitung, Verletzte aus Seen, Flüssen, Schluchten, Höhlen, Gletscherspalten, Lawinen. Sie rettet Eistaucher und Eiskletterer. Von einem Stier attackierte Bauersleute. Sie transportiert Frühgeborene und Verbrennungsopfer. Sucht Vermisste. Rückt aus bei Verkehrsunfällen, Arbeitsunfällen, Flugunfällen, Verbrechen. Berät Patienten im Ausland, schickt Medikamente, wenn nötig den Ambulanzjet. Fliegt auch mal ein Skorpion-Serum samt Giftspezialisten von Basel nach München. «Die Rega muss nicht rentieren, sie muss funktionieren», lautet das Motto. Sie bringt mit modernsten Helikoptern Hilfe auf höchste Höhen und mit eigenen Ambulanzjets jährlich 700 Patienten aus der ganzen Welt nach Hause zurück.
Am 5. Oktober 2010 leistete die Rega ihren 300 000. Einsatz; sie flog Zwillinge von der Neonatologie des Kinderspitals Luzern in ihren Heimatkanton Waadt. Sechs Einsätze waren es 1953, 14 240 im vergangenen Jahr 2011.
Drittens: Die Rega verbindet traditionelle Werte und Hightech. Noch besser, noch schneller, noch sicherer. Rettungstechnisch, fliegerisch und medizinisch an der Spitze sein: Das trieb die Rega über sechzig Jahre an. Aus den abenteuerlichen Anfängen freiwilliger Idealisten wuchs eine hochprofessionelle Organisation. Fünf Minuten nach der Alarmierung ist der Heli in der Luft und erreicht bei passablem Wetter in höchstens fünfzehn Minuten jeden Winkel der Schweiz. Die gemeinnützige Stiftung hilft unabhängig von staatlichen oder finanziellen Interessen nach den Grundsätzen des Roten Kreuzes, das heisst ohne Ansehen von Person, Zahlungsfähigkeit, sozialer Stellung, Nationalität, Rasse, Glauben oder politischer Überzeugung. Sie richtet nicht, sie rettet – und versorgt ihre Patienten nicht nur medizinisch, sondern auch seelisch: Nach der Rettung kümmert sich der Sozialdienst um sie, auch um Angehörige – macht Spitalbesuche, telefoniert, schreibt. Eine erstaunlich antizyklische Paarung ultramoderner Ausrüstung und klassischer Werte.
Viertens: Die exklusive Kombination Fliegen und Retten beflügelt die Rega-«Familie». Hier die Freude am Fliegen, die Lust abzuheben, seit Ikarus eher eine Spezialität der Wagemutigen, da der rückhaltlose Einsatz fürs Retten, vermeintlich eher die Domäne der altruistisch Aufgelegten und sozial Engagierten. Das stiftet eine Spannung, die Leute anzieht, die gern bipolar gefordert sind – eigenwillige Hilfsbereite, sozialverpflichtete Technikfreaks. Über 300 hoch qualifizierte Leute arbeiten für die Rega, die meisten haben mehrere Ausbildungen: der Käser als Safety-Officer, die Direktionssekretärin als Einsatzleiterin, der Landmaschinenmechaniker als Rettungssanitäter, die Kinderkrankenschwester als Betreuerin. Über 300 Mitarbeitende sind mit Herzblut bei
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