Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
sicher aus der Ecke der Darwin-Verweigerer. Aber das ändert nun einmal nichts an der Tatsache, dass wir Eignung nur im Nachhinein anhand dessen beurteilen können, was sich durchgesetzt hat. Und nichts anderes sagt der Darwinismus. Es handelt sich nicht um eine vorhersagende oder gar hellseherische Lehre, sondern fußt zu 100 % auf Beobachtung. Das war zu Darwins Zeit so und ist im heutigen Experimentierzeitalter nicht anders. Die Erfindung des Rades war logischerweise Voraussetzung für eine neue Fortbewegungsart an Land, die sich als vorteilhaft erwies, aber keine Anpassung an das Autofahren. Das Beispiel der Flügelentwicklung eignet sich auch, einen weiteren nicht aus den Köpfen der Kritiker zu eliminierenden Irrtum zu veranschaulichen. Es ist die altbekannte Schrottplatz-Jumbojet-Metapher, also die zufällige Konstruktion eines Hochleistungsfliegers durch das Wüten eines Orkans über einem Autofriedhof. Da wird unterstellt, dass im Evolutionsmodell die Flügelbildung und Entwicklung der Flugfähigkeit als einmaliger Megasprung à la Bob Beamon angesehen würde. Aber „natura non facit saltus“! Evolution heißt Entwicklung und erfolgt über eine unregelmäßige Aneinanderreihung minimaler und für uns oft nicht wahrnehmbarer Merkmalsänderungen. Alle großen phänotypisch erfassbaren Neuerungen sind stets Summe einer langen Additionskette. Dabei muss jedes angefügte Kettenglied von der Selektion als passend begutachtet werden. Und so erfolgte auch der Übergang von Reptilien zu Vögeln durch eine langsame Veränderung der Fortbewegungsweise, die Schritt für Schritt an Qualität gewann, dabei sicher zahlreiche Irrwege eingeschlagen und Opfer gefordert hat. Als Analogon – allerdings eines in Zeitraffer – mag hier die Entwicklung der menschlichen Fliegerei dienen. Die Montgolfiers, Wrights und Lilienthals sowie viele andere wählten unterschiedliche Strategien und freuten sich anfangs über jeden Zehn-Meter-Hopser. Bis zu Strindbergs Transatlantikflug und erst recht dem ersten Jumbojet war es ein weiter Weg mit zahlreichen Fehlversuchen. Viele Antriebsarten und Auftriebskörper wurden getestet, die vorteilhaften beibehalten, die ungeeigneten verworfen. Aber es wurden auch divergente Entwicklungen zugelassen, wenn sie sich bewährten. Heißluftballon, Düsenjet, Turboprop und Helikopter zeigen nur einen Ausschnitt aus der „biologischen“ Vielfalt erfolgreicher Adaptationen an die Fortbewegung in luftiger Höhe. Welcher An- und Auftriebsmechanismus am besten geeignet ist, lässt sich nur von Fall zu Fall entscheiden, hängt von den jeweiligen Erfordernissen – sozusagen den Umweltbedingungen – ab. Ein Airbus A300 wäre als Fluggerät der Bergwacht ebenso ungeeignet wie ein Helikopter zur transkontinentalen Passagierbeförderung, Den passionierten Ballonfahrer wird kein Raketenantrieb reizen. Die technisch anspruchsvollste Konstruktion ist also keineswegs immer die passendste, kein Evolutionsgewinner mit alleinigem Machtanspruch. In ihrer „ökologischen Nische“ haben sich viele durchgesetzt – ganz ohne Hauen und Stechen in friedlicher Koexistenz. Diese Analogie aus der Entwicklung der menschlichen Luftfahrt hakt natürlich insofern, als dass jeder weitere Entwicklungsschritt unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen zielorientiert erfolgte. Das ist beim zufallsdominierten Mutations-/Rekombinationsgeschehen in der Natur anders, wo erst der Selektionsfilter eine Richtung hineinbringt. Zur Veranschaulichung einer Evolution der kleinen Schritte und der Ausbildung von umweltabhängiger (Bio)Diversität ist das Beispiel aber ganz gut geeignet.
Zurück zur Natur. Das Wasser, Land- und Luftleben ist „Dröpje voor Dröpje“ zu ungeahnter und ungeplanter Vielfalt evolutioniert – verlustreich zwar, aber keineswegs eingleisig. Beine, Arme, Flossen, Flügel, Kiemen, Lunge, Luftsack und Schwimmblase – ob mit Muskelkraft, nach dem Rückstoßprinzip, über Magnetfeldnavigation und Lageregulation – die Strategien zu Antrieb, Energiegewinnung, Orientierung, Geschwindigkeit, Auftrieb und, und, und sind schier unerschöpflich.
Die Luftfahrtmetapher ist auch insofern recht passend, da sie zahlreiche weitere für die Darwin’sche Evolution wesentliche Parameter begreiflich macht: Selektion von Passendem, keine solitäre „Superstar“-Suche, sondern die Möglichkeit zu Parallelentwicklung verschiedener Strategien, aber auch Irrwege und Sackgassenbau und nicht zuletzt die Abhängigkeit der
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