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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Einfluss der Genetik sein kann, ist am Beispiel der Schnellkraftentwicklung recht gut untersucht. Eine alte leichtathletische Weisheit besagt: „Zum Sprinter musst du geboren sein.“ Den Grund hat die Genetik aufgedeckt. Talentierte Sprinter verfügen von Geburt an in ihrer Skelettmuskulatur über einen hohen Anteil schnell kontrahierender Fasern (weiße „Fast-twitch-Fibers“), die sich durch hohen Energieumsatz und schnelle Ermüdbarkeit auszeichnen. Selbst durch intensives Training der Schnellkraft lässt sich diese genetische Vorgabe kaum beeinflussen. Hat ein junger Erdenbürger dagegen einen hohen Prozentsatz langsam zuckender Muskelfasern (sog. rote „Slow-twitch-Fibers“) mit auf den Lebensweg bekommen, sollte er sich lieber einen Emil Zátopek zum Vorbild nehmen. Seine dünnen, ökonomisch arbeitenden, langsam ermüdenden, aber wenig schnellkräftig kontrahierenden Skelettmuskeln sind eher für Ausdauerdistanzen weit jenseits der Sprintdisziplinen ausgelegt. Auch mit größtem Trainingsfleiß ist hier die Hoffnung auf eine Karriere á la Usain Bolt vergebens. Beide Fasertypen verfügen zwar qualitativ über die gleichen Strukturelemente. Die Unterschiede betreffen vor allem den Gehalt an besonderen Zellorganellen (Mitochondrien = „Zellkraftwerke“), die Menge des für den Sauerstofftransport verantwortlichen roten Muskelfarbstoffes Myoglobin, des Energieträgers ATP und die Effektivität des Nährstoffabbaus. Dennoch lassen sich langsame Fasern auch bei gezieltem Schnellkrafttraining kaum in schnelle verwandeln (der umgekehrte Weg ist durch intensives Ausdauertraining in begrenztem Umfang möglich). Der genetische Rucksack wiegt in diesem Fall also ziemlich schwer. Aber verlieren wir nicht den Ausgangskonflikt aus den Augen. In vielen Verhaltensbereichen sind gesicherte Erkenntnisse über die Gewichtung von genetischer Disposition und individueller Beeinflussbarkeit noch dünn gesät. Dass jedoch für Verhaltensäußerungen ein genetischer Rahmen vorgegeben ist, dessen Größe von Fall zu Fall variiert, ist unzweifelhaft. Diese Erkenntnis ignorierend, beziehen die Darwingegner genetische Verhaltensvorgaben und den Konkurrenzkampf davon abhängender Verhaltensweisen gar nicht in ihre Überlegungen mit ein. Konkurrenz von Verhaltensweisen? Wie soll das gehen? Ein (fiktives) Beispiel möge das verdeutlichen: Man stelle sich eine Gruppe eiszeitlicher Neandertaler vor. Darunter ist einer, der sich – teils seiner genetischen bedingten Mentalität, teils seiner Lebenserfahrung gedankt – zum Einzelkämpfer berufen fühlt und den Kontakt zu seinen Artgenossen meidet. Wie die Erfolgsaussichten dieses einsamen Recken bei der Mammutjagd im Vergleich zu seinen kommunikativen, Jagdgemeinschaften mit abgestimmten Taktiken formierenden Verwandten zu bewerten sind, kann sich jeder leicht ausmalen. Zwei Verhaltensweisen sind hier quasi in Konkurrenz getreten – mit sicher eindeutigem Ergebnis. Das Einzelgängertum birgt ein erheblich höheres Risiko, einen früheren Tod zu finden – sei es durch einen direkten Mammut-Stoß oder durch Verhungern infolge ausbleibender Jagderfolge. Neandertaler-Individuen, die zu Asozialität neigen, haben somit deutlich geringere Chancen, Nachkommen zu zeugen, d. h. ihre Veranlagung in die nächste Generation zu tragen. Die Selektion präsentiert sich hier also ganz im Sinne Darwins nicht als rigoroser „Maluskiller“, sondern führt zu einer sich verstärkenden Ausdünnung eines Verhaltensmerkmals und damit auch der diesem Verhalten zugrunde liegenden genetischen Disposition.
    Auch wenn es sich hier nur um ein erdachtes, aber keineswegs realitätsfernes Beispiel handelt, entbehrt die von den Kritikern eingenommene Ablehnungshaltung, harmonisches Zusammenleben und kooperatives Tun als Produkt der Evolution anzuerkennen, jeder wissenschaftlichen Grundlage. Alle bisher bekannten Verhaltensmuster scheinen über das Zusammenwirken von Genetik und Erlerntem geprägt und müssen sich nach den Regeln von Konkurrenz und Selektion bewähren. Daher ist prinzipiell für soziale Verhaltensweisen von keinem anderen Mechanismus auszugehen. Die von den Darwingegnern konstruierte Unerklärbarkeit harmonischen Verhaltens im Rahmen des Evolutionsmodells ist also völlig obsolet. Davon unbeeindruckt versuchen die Kritiker jedes noch so deutliche Argument für das Wirken von Veränderung und Auslese ins Gegenteil zu verkehren. Auch aus dem erwähnten Beispiel der Körpergewichtseinstellung

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