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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Wohl einer Population im Tierreich nicht anzutreffen, wenngleich es vordergründig nicht selten so aussieht. Ein Besuch bei den Nacktmullen, kleinen ostafrikanischen Nagern, möge das beleuchten. Die Wahl fällt auch deshalb auf diese Spezies, da einer der populärsten Protagonisten der Darwin-Kritik, Reinhard Eichelbeck, das Warnverhalten der Nacktmulle als Beleg für selbstlose Opferung zum Wohle der Allgemeinheit wertet, die seiner Ansicht nach ein von Egoismus dominierter Darwinismus nicht zu erklären vermag. Die nur fünf bis 15 cm langen wurstförmigen Nager gehören zur Unterfamilie der Stachelschweinverwandten (Hystricomorpha). Ihr natürlicher Lebensraum erstreckt sich über die trockenen Steppen und Savannen Ostafrikas, das sog. Horn von Afrika (Äthiopien, Kenia, Somalia). Dort bewohnen sie eng gedrängt unterirdische Höhlensysteme, die eine mehrere Kilometer weite Ausdehnung und eine Tiefe von bis zu zwei Metern erreichen. Die einzelnen Gänge haben einen Durchmesser von etwa vier Zentimeter und verbinden Wohn-, Vorrats- und Koträume miteinander. Tageslicht bekommen die Tiere praktisch nie zu Gesicht. Namensgebend ist ihr – von einigen Sinneshaaren abgesehen – unbehaarter Körper, der als Adaptation an die unterirdische Lebensweise in bis zu 300 Mitglieder starken Kolonien zu verstehen ist. Die Haarlosigkeit bietet relativ guten Schutz gegen Parasitenbefall. Die Nacktmulle zeichnen sich durch ein unter Säugetieren einzigartiges Sozialverhalten aus, das man in dieser Form nur von Insekten kennt. Sie bilden sogenannte eusoziale Staaten, die durch eine strenge, altersabhängige Arbeitsteilung charakterisiert sind und denen eine allein fortpflanzungsberechtigte Königin vorsteht. Das niedere Volk arbeitet in Teams mit klar umrissenen Aufgabenfeldern. Da gibt es für Pflege und Aufzucht des Nachwuchses zuständige Erzieher sowie für Anlage, Erweiterung und Instandhaltung der Tunnel abgestellte Gräber, Erdschieber und Auswerfer. Eine Putzkolonne hält den Laden sauber, ein Schutzbataillon aus kräftigeren Exemplaren übernimmt die Security. Und schließlich fällt auch einigen die gefährliche Aufgabe zu, als Wachposten zu agieren, um den Rest der Kolonie vor dem Angriff von Sandschlangen zu warnen – agilen, gefräßigen Schlanknattern, die dünn genug sind, in den Gängen der Mulle auf Beutefang zu gehen. Auf das Warnsignal des Wächters hin verstopfen die Tunnelbauer eiligst den Gang mit Erde, freilich ohne sich dabei um das weitere Schicksal des Wachmanns zu kümmern. Der bleibt quasi vor der Tür zurück und bezahlt seinen Altruismus meist mit dem Leben. Trotzdem weigert sich kein Wächter, diesen höchst undankbaren Job zu übernehmen. Wie ist diese wahrhaft heroisch anmutende Bereitschaft zur Selbstopferung zum Wohle der Gruppe mit Darwins ja angeblich so egoismusdominierten Modell zu erklären? Nach Kritikermeinung überhaupt nicht, denn schließlich rette der selbstlose Wächter, von grenzenlosem Altruismus beseelt, des Leben seiner Kameraden unter bewusster Inkaufnahme des eigenen Todes. Gerade so, wie sich Karl Mays edler Klekih-petra 16 quasi als lebender Schild in die Schussbahn der Schurken Rattler stellt, um das Leben seines Zöglings, des Apachenhäuptlings Winnetou, zu retten. Eine solche bewusste Opferbereitschaft können wir dem in Pflichterfüllung sein Leben lassenden Wächtermulch leider nicht zubilligen. Im Gegensatz zum indianischen Vorbild handelt der kleine Nager nicht berechnend so selbstlos in Erwartung des eigenen Todes. Intellektuell dürfte für ihn nicht vorhersehbar sein, was ihm blüht. Rein instinktiv gibt er sein Warnsignal ab. Alles Weitere ist Neuland für ihn, und das Gefressenwerden nur einmal „erlebbar“. Die Chance, aus schlechter Erfahrung zu lernen, besteht kaum, und ob der Mulch dazu rein kognitiv in der Lage wäre, ist auch fraglich. Mit gewähltem Altruismus hat das – ohne die Leistung des kleinen Nackedeis schmälern zu wollen – nichts zu tun. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Wo bleibt der natürliche Selbsterhaltungstrieb, der ererbte Egoismus? Der ist durchaus vorhanden. Denn der Mulch stürzt sich mit Abgabe des Warnsignals keinesfalls in dem erhebenden Gefühl, seiner Pflicht Genüge getan zu haben, tatenlos in sein Schicksal. Für ihn ist das Alarmschlagen nur der erste Schritt, alles zu versuchen, den Fängen der räuberischen Natter zu entkommen – die Erfolgsaussichten sind allerdings gering. Unsere Gefühle rührt das an,

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