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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Möglichkeit des Milchkonsums aufgrund häufiger Nahrungsengpässe einen enormen Selektionsvorteil. Ihr ebenfalls mit der mutierten genetischen Variante ausgestatteter Nachwuchs hatte erheblich bessere Überlebenschancen. Die Folge war eine evolutionäre Erfolgsstory, eine in erdgeschichtlichen Dimensionen gerade explosive Ausbreitung der zur Laktase-Herstellung befähigenden Genvariante in den Regionen der Erde, wo Viehzucht praktiziert wurde. In „nur“ 7000 – 8000 Jahren konnte somit die ehemals so seltene Genvariante in unseren Breiten zum Standard werden. Besonders hervorzuheben bei dieser Geschichte ist, dass sich die Fähigkeit, im Erwachsenenalter Milch zu verdauen, in Europa erst parallel zur Ausweitung der Landwirtschaft und nach Einführung der Nutztierzucht ausgebreitet hat. Dies zeigt einmal mehr, dass ein Selektionsdruck nie eine absolute, unveränderliche Größe ist, sondern stets auf Grundlage der aktuell herrschenden Milieubedingungen (hier die Verfügbarkeit von Milch) eingestellt wird. Einzig die Richtung, das Ziel, ist immer gleich: maximale Überlebenswahrscheinlichkeit. Im Übrigen bestätigt und bereichert diese neue Studie nur die Ergebnisse früherer Arbeiten (S. Tishkoff et al., 2007).
    Ein weiteres, schon seit Längerem bekanntes Beispiel für „schnelle“ genetische Radiation (Auseinanderentwicklung) und der uneingeschränkten Abhängigkeit des Selektionsdruckes von aktuellen Milieubedingungen, ist die Ausbildung einer Malariaresistenz durch Sichelzellanämie . Ursache dieser Erbkrankheit ist eine Punktmutation, d. h. der Austausch nur eines einzigen Bausteins in einem Bereich der menschlichen DNA, der Informationen zum Bau des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin enthält. Die Base Thymin ist dort durch Adenin ersetzt. Bei der Synthese einer Untereinheit des Hämoglobins wird dadurch anstelle der Aminosäure Glutaminsäure eine andere, nämlich Valin, eingebaut. Diese kleine Veränderung in der Aminosäuresequenz reicht aus, um dem ganzen Hämoglobinmolekül eine andere räumliche Struktur zu verleihen und dadurch seine Sauerstoffbindungsfähigkeit zu verschlechtern. Die roten Blutkörperchen, die solch verändertes Hämoglobin beherbergen, verlieren ihre normalerweise rundlich/ovale Gestalt und verformen sich sichelartig. Sie können ihre SauerstoffTransportfunktion nicht mehr optimal erfüllen, sodass alle Organe schlecht mit Sauerstoff versorgt werden. Darüber hinaus verstopfen sie verstärkt die Gefäße. Durchblutungsstörungen und Arteriosklerose sind die Folge. Da die sichelförmig alterierten Erythrozyten besonders von der Milz als abnorm erkannt werden, erfolgt ein rascher Abbau (Hämolyse), was zu einer ausgeprägten Blutarmut (Anämie) führt. All dies bewirkt eine den gesamten Organismus betreffende Unterversorgung mit Sauer- und Nährstoffen, was über ein multiples Organversagen im Tod gipfelt. Da es sich um eine rezessiv (unterdrückt) vererbte Erkrankung handelt, sind von einem solch dramatischen Symptomverlauf „nur“ sogenannte
homozygote (reinerbige)
Träger betroffen. Das sind Menschen, die sowohl vom Vater als auch von der Mutter ein krankes (mutiertes) Hämoglobin-Gen erhalten haben. Bei diesen Patienten ist praktisch das gesamte Hämoglobin betroffen, sodass der Krankheitsausbruch unvermeidlich und die Lebenserwartung gering ist.
Heterozygote (gemischterbige)
Träger, die nur von einem Elternteil die mutierte Genvariante erhalten haben, vom anderen aber die gesunde, sind meist weitgehend symptomfrei. Aufgrund der Dominanz des gesunden Gens bilden diese heterozygoten Trägen genügend normales Hämoglobin und voll funktionsfähige Erythrozyten. Interessant im Hinblick auf das Selektions- und Evolutionsgeschehen ist nun, dass diese heterozygoten Träger des Sichelzell-HämoglobinGens eine erhöhte Resistenz gegen Malaria aufweisen. Der Erreger (von der Anopheles-Mücke übertragene Plasmodien) kann sich in den verformten Sichelzell-Erythrozyten nicht vermehren. Somit erhalten die heterozygoten Träger in Malariagebieten einen echten Selektionsvorteil. Und tatsächlich lässt sich in den Malariaregionen Afrikas und Asiens ein stark erhöhter Bevölkerungsanteil Sichelzell-Heterozygoter im Vergleich zu Nicht-Malariagebieten nachweisen – in Äquatorialafrika bis zu 40 %. In Nicht-Malariazonen sind es meist weniger als ein Prozent. Das ist Selektion/Evolution live. Eine in unseren Breiten von der Selektion eher als nachteilig erachtete Genkombination (mischerbige

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