Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
labilen Basis entfernt. Das Fatale dabei: Innerhalb der Fehlkonstruktion können Teilaspekte vordergründig durchaus logisch erscheinen, wenn man nicht erkennt, dass der Ausgangspunkt – quasi ein Knotenpunkt im Netz – schon den Basisfehler beherbergt.
Werden wir wieder konkreter. Die völlig von Darwins Beschreibung abweichende Auslegung des „Struggle for Life“ sowie des „Survival of the Fittest“ als destruktive Prinzipien führte zu der falschen Ableitung, der Darwinismus postuliere ein Mordszenario als Triebfeder der Evolution. Kampf in der Natur bedeute danach immer direkten Tötungskampf zwischen Individuen und gipfele in „Ausrottungsfeldzügen“ gegen konkurrierende Populationen. Als Resultat gäbe es folglich nur Sieger und Besiegte, der eine überlebt, der andere nicht, die eine Spezies erobert Ressourcen, die unterlegende „krepiert“, verliert mit der Schlacht den Krieg und damit jegliche Überlebenschance. Wer dieser totalen Fehlauslegung, quasi dem faulen Knotenpunkt im Konstruktionsnetz, seinen Glauben schenkt, wird ein weiteres Argument der Darwingegner durchaus für logisch erachten. Ein Blick in die Natur zeigt uns zahlreiche Beispiele für Wesen, die nicht unbedingt den Eindruck kriegerisch erfolgreicher Kämpfernaturen machen. Sie leben mit Behinderungen, offenbaren in verschiedenen Bereichen die eine oder andere Schwäche. Dennoch erscheinen sie recht vital und erwecken nicht den Anschein, ihre Tage auf unserem Planeten seien gezählt. Nanu – war die Selektion hier etwa unaufmerksam? Sind die Schwächlinge womöglich durchs Raster gerutscht und den Fängen der gnadenlosen „Auslese-Inquisition“ entwischt? Keineswegs – hier gilt es zwei Essentials des Mutations-/Selektionsprinzips herauszustellen.
1. Der Überlebenskampf ist kein konfrontativer Schnelltest mit der Dualoption „vital“ oder „letal“, sondern eine Langzeit-Eignungsprüfung mit Adaptationschance. Langzeit meint hier keine menschlich dimensionierten Epochen. Selbst wenn wir gesehen haben, dass Selektion durchaus nicht die früher vermuteten Jahrmillionenintervalle beansprucht, so sind doch selbst in den schnellsten uns bekannten Fällen zumindest ein paar Jahr(zehn) tausende vonnöten, um Veränderung für uns erfassbar zu machen. Das ist ein „Klacks“ bezogen auf die Erdgeschichte, aber unvorstellbar lang für menschliche Empfindungsmöglichkeiten.
2. Die Relativität der Schwäche wurde ja schon mehrfach betont. Mit Zweikampfstärke und Mordfähigkeit hat sie sehr wenig zu tun, sondern vielmehr mit der Fähigkeit, sich die Umweltressourcen für die eigene Versorgung mit allem Lebenswichtigen nutzbar zu machen. Dabei gilt es die Konkurrenz von Mitbewerbern zu meistern. Dies geschieht aber in aller Regel nicht über direkte Konfrontation, sondern allem voran durch Optimierung eigener Fähigkeiten (Mutantenselektion!). Dazu gehören neben den klassischen Faktoren der Nahrungsbeschaffung, Nachkommen- und Wohnraumsicherung auch die Fähigkeit zur Erschließung neuer geografischer Besiedlungsräume und – besonders wichtig – die Bildung sozialer Strukturen, und zwar nicht allein innerhalb der eigenen Population. Potenzielle Feinde lassen sich sehr wirksam durch Symbiosen (Koexistenz mit beiderseitigem Nutzen im gleichen Habitat), Nahrungsspezialisierungen (Koalas mit Eukalyptuspräferenz, Darwinfinken mit spezialisierten Schnäbeln), geschicktem „Zeitmanagement“ (Tages- und Nachtaktivität) u. v. a. m. zum ungefährlichen, wenn nicht gar nützlichen Nachbarn entschärfen.
Wie sieht es aber mit den Alten und Kranken aus? Sicher können diese kaum mehr mit körperlicher Stärke glänzen, bringen dafür jedoch ihre Erfahrung ein, wissen, wo und wie welche Ressourcen nutzbar gemacht werden können. Ein selektiver Vorteil erschließt sich vielleicht nicht immer auf den ersten Blick. Wer nur auf Muskelkraft und Kampfeslust schaut, erhält kein Bild von der Gesamtfitness. Zu guter Letzt gilt es auch an dieser Stelle noch einmal den engen Bezug der selektiven Bewertung zur speziellen Umweltsituation zu betonen. So mag beispielsweise in unserem anthropozentrischen Weltbild unser Sprachvermögen die höchste der kommunikativen Möglichkeiten im Tierreich darstellen. Aber gilt das auch für aquatische Lebensräume? Da scheint die „Abgaskommunikation“ von Heringen doch die bessere Lösung. Tatsächlich scheinen Heringe mithilfe ihrer Gedärme zu kommunizieren, indem sie Luft aus ihrer Schwimmblase in den
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