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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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Mensch zeigt, dass die Selektion stets das gesamte äußere Erscheinungsbild bewertet, was zur Folge hat, dass auch Defizite nicht per se ausgemerzt werden, solange sie durch Stärken kompensiert werden. Die Entwicklung unseres Gehirns und unseres manuellen Geschickes haben vor dem Selektionstribunal eine derart gute Beurteilung erfahren, dass der Gesamtphänotyp allen Schwächen zum Trotz keine rote Karte auf dem Spielfeld der Natur erhalten hat. Als besondere Stärke ist hier der opponierbare Daumen (Greifhand) zu nennen, der uns einzigartige handwerkliche Möglichkeiten erschließt, die vom Gehirn ihre Nahrung erhalten. Durch unsere Fähigkeit, geistigen „trial and error“ (Versuch und Irrtum) zu betreiben, sind wir in der Lage, Problemlösungen zunächst rein gedanklich durchzuspielen. Dies hat uns in die Lage versetzt, sogenannte künstliche (siehe hierzu auch das Kapitel „
Der Blick in den Spiegel
“) Mittel zu schaffen, um uns Dimensionen zu erschließen, denen wir rein körperlich nie gewachsen wären. Ob Flugzeug, U-Boot, Elektronenmikroskop oder Gentechnik – das Spektrum ist beeindruckend. Aber letztlich verdanken wir alles der Selektion unserer intellektuellen Spezialisierung. Generell ist dieses Prinzip bei allen Organismen verwirklicht. Den „omnipotenten Megastar“ gibt es nicht, und die Evolution zielt auch nicht auf einen solchen hin. Jedes Wesen ist eine Komposition aus Schwächen und kompensatorisch wirkenden Stärken. Viele Froscharten sind fast blind und von Feuchtigkeit abhängig, da ihre kaum verhornte Haut sie nur unzureichend vor Austrocknung schützt. Dafür ist gerade diese Haut ein multifunktionales Meisterwerk, dem Frösche ihre enorme Anpassungsfähigkeit verdanken. Durch diese Haut können sie atmen (der Mensch kann dies entgegen einem immer noch verbreiteten Ammenmärchen nicht), sie dient der Tarnung und Abschreckung und enthält Gift produzierende Drüsen. Tropische Arten stellen sogar eine eigene „Sonnencreme“ her. Frösche sind im Wasser wie zu Lande mobil und begnadete Springer mit klebriger Fangzunge.
    Weitere erfolgreiche Strategien zum Ausgleich körperlicher Unterlegenheit sind die täuschende Nachahmung von Gegenständen oder Lebewesen, die für einen Fressfeind uninteressant sind (Mimese) , ferner die der Unsichtbarmachung dienende Tarnung sowie die Vortäuschung auffälliger Körper- und Verhaltensmerkmale, die Feinde in die Irre führen (Mimikry) . Die berühmten „
Wandelnden Blätter
“ – in Wahrheit Pflanzen fressende Gespenstschrecken – sind gewiefte Mimetiker. Stabschrecken tarnen sich als unscheinbare Zweige und wehrlose Schwebfliegen betreiben Mimikry durch Nachahmung der auffälligen gelbschwarzen Körperzeichnung stechender Insekten (z. B. der Feldwespe). Sie schrecken auf diese Weise räuberische Vögel ab. All diese Beispiele zeigen, dass einzelne Schwächen kein evolutionäres Todesurteil bedeuten, wenn geeignete Strategien entwickelt wurden, die dem Gesamtphänotyp ausreichend Stärke verleihen.
    Die Kritiker verweisen auf die praktisch bei allen Organismen in mehr oder weniger großer Zahl vorhandenen Schwächen und sehen darin das Darwin’sche Selektionsprinzip des
survival of the fittest
– in ihrem Verständnis „
only the fittest“
– widerlegt. Sie ignorieren dabei völlig das kompensatorische Element der Stärken und die Tatsache, dass die Selektion stets die Funktionalität des Gesamtorganismus, also die Bilanz bewertet. In dem Missverständnis, die Auslese arbeite zielgerichtet auf das Ideal eines in sämtlichen Merkmalen unübertrefflichen Superbodys hin, sehen sie im längerfristigen Erhalt von Defiziten – etwa der Sehschwäche von Fröschen oder der Wehrlosigkeit vieler Pflanzen – ein schlagkräftiges Gegenargument zu Darwins Lehre.
    Ein zweiter grober Fehler: Selektiert werden kann logischerweise nur das, was produziert worden ist, was Mutation und Rekombination hervorgebracht haben. In einer Fabrik, die ausschließlich Paprikachips produziert, kann die Qualitätskontrolle nicht monieren, dass die Cracker zu wenig nach Zwiebel schmecken. In der Natur kommt nun noch hinzu, dass im Gegensatz zur Fabrik der Produktionsprozess überhaupt nicht steuerbar ist, sondern die Rohware – Mutanten und Rekombinanten – Zufallsprodukte sind, unter denen die Qualitätskontrolle (Selektion) die am ehesten geeigneten auswählt. Enthält eine Charge keine wirklich überragenden Modelle – nur halbblinde Frösche zum Beispiel – dann

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