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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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über den Turnierplatz schwirrten.
    »Hast du den Schuß gehört?« fragte Judd.
    Mick nickte.
    »Manöver…« Judds Lächern war breiter geworden. Er sah schon die Schlagzeilen vor sich - ein Exklusivbericht über geheime Manöver mitten im ländlichen Jugoslawien. Russische Panzer vielleicht, taktische Übungen, abgehalten außer Sichtweite westlicher Spitzel. Mit etwas Glück konnte er der Berichterstatter sein.
    Rums. Rums.
    In der Luft waren Vögel. Der Donner rollte jetzt lauter.
    Es klang eindeutig wie Geschütze.
    »Hinter dem nächsten Bergkamm…« sagte Judd.
    »Ich finde, wir sollten keinen Schritt weiter gehn.«
    »Ich muß das sehen.«
    »Ich nicht. Wir dürften uns hier gar nicht aufhalten.«
    »Kann keinerlei Schilder entdecken.«
    »Sie werden uns verhaften; deportieren - was weiß ich. Ich find’ nur…«
    Rums.
    »Ich muß mir das einfach ansehn.«
    Die Worte waren kaum aus seinem Mund, als gellend das Gekreisch begann.
    Podujevo war’s, das kreischte: ein Todesschrei. Irgendein in der anfälligen Flanke Verborgener war an Überanstrengung gestorben und hatte im System eine Kettenreaktion des Verfalls ausgelöst. Einer ließ seinen Nebenmann los und dieser Nebenmann wiederum den seinen, so daß sich ein Krebsgeschwür des Chaos durch den Körper der Stadt ausbreitete. Der Zusammenhalt des aufgetürmten Gefüges ging mit erschrekkender Geschwindigkeit verloren, weil das Versagen eines anatomischen Abschnitts unerträglichen Druck auf den nächsten ausübte.
    Das Meisterstück, das die guten Bürger von Podujevo aus ihrem eigenen Fleisch und Blut errichtet hatten, torkelte, und dann begann es gleich einem in die Luft gesprengten Wolkenkratzer einzustürzen.
    Die geborstene Flanke erbrach Bürger, wie eine aufgeschlitzte Arterie Blut ausspeit. Dann neigte sich das Riesenwerk mit würdevoller Trägheit, die jedoch die Todespein der Bürger noch grausiger gestaltete, der Erde zu, und alle seine Glieder fielen auseinander, als es niederstürzte.
    Der kolossale Kopf, der gerade noch die Wolken gestreift hatte, wurde auf seinen dicken Hals nach hinten geschleudert. Aus zehntausend Mündern gellte einstimmig der Aufschrei dieses ungeheuren Mundes, ein unartikulierter, unendlich bejammernswürdiger Appell an den Himmel. Ein Geheul des Verlorenseins, ein Geheul der Vorwegnahme, ein Geheul der Verstörung. Wie könnte denn, fragte der Schrei inständig, der Tag der Tage solchermaßen enden, in einem tobenden Tumult niederstürzender Leiber?
    »Hast du das gehört?«
    Das Kreischen war unverkennbar menschlich, wenngleich fast ohrenbetäubend laut. Judds Magen krampfte sich zusammen.
    Er schaute rüber zu Mick, der war kreidebleich.
    Judd hielt an.
    »Nicht«, sagte Mick.
    »Hör dir das an, mein Gott …«
    Das markerschütternde Röhren Sterbender, ihr Gestöhn und Flehen, ihre Verwünschungen überschwemmten die Luft.
    Ganz in ihrer Nähe war’s.
    »Komm jetzt weg von hier!« beschwor ihn Mick.
    Judd schüttelte den Kopf. Er hatte mit irgendeinem militärischen Spektakel gerechnet - die gesamte Sowjetarmee hinter dem nächsten Hügel auf einem Haufen beisammen -, aber dieses Getöse in seinen Ohren war das Getöse menschlichen, unsagbar menschlichen Fleisches. Es erinnerte ihn an die Vorstellungen, die er als Kind von der Hölle gehabt hatte; an die unablässigen, unaussprechlichen Qualen, mit denen ihm seine Mutter gedroht hatte, wenn er’s unterließe, Jesus in sein Herz zu schließen. Es war eine Schreckensvision, die er zwanzig Jahre vergessen hatte. Aber bitte, plötzlich war sie wieder da, in alter Frische. Vielleicht tat sich gleich hinter der nächsten Horizontlinie der Höllenschlund selber auf, und seine Mutter stand an seinem Rand und forderte ihn auf, das Strafgericht kennenzulernen.
    »Wenn du nicht willst, dann fahr’ ich eben allein.«
    Mick stieg aus und ging vorn um den Wagen herum dabei schaute er flüchtig den Weg hinauf. Einen Moment, nicht länger als einen Moment, zögerte er, und ungläubig flackerte es in seinen Augen, ehe er sich, mit noch bleicherem Gesichtals vorher, zur Windschutzscheibe wandte und mit vor unterdrücktem Ekel heiserer Stimme »Gott im Himmel…« sagte.
    Sein Lover saß noch immer hinterm Steuer, hielt den Kopf in den Händen und versuchte, Erinnerungen auszulöschen.
    »Judd…«
    Judd blickte langsam auf. Mick starrte ihn an wie ein Rasender, sein Gesicht glänzte plötzlich vor eisigem Schweiß. Judd sah an ihm vorbei. Wenige Meter weiter vorn hatte sich

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