Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
mehrere Tassen guten schwarzen Kaffee. Selbst in Novi Pazar hellte es sich jetzt auf, und ihre Ziele waren weit gesteckt: Kosovska Mitrovica gegen Mittag und eventuell nachmittags eine Besichtigung der Bergfeste Zvecan.
    Gegen halb zehn verließen sie Novi Pazar Richtung Süden und
    •nahmen die Straße nach Srbovac zum Ibar-Tal. Keine gute Straße, aber die Stöße und Schlaglöcher konnten ihnen den neuen Tag nicht vermiesen.
    Bis auf einen gelegentlichen Fußgänger war die Straße leer; anstelle der Mais- und Getreidefelder, an denen sie am Vortag vorbeigekommen waren, säumten hier wellenförmig gestaffelte Hügel mit dicht und dunkel bewaldeten Hängen die Straße. Außer ein paar Vögeln sahen sie kein Tier. Selbst die sporadischen Passanten fehlten nach ein paar Kilometern völlig, und die vereinzelten Bauernhäuser, an denen sie vorbeifuhren, waren augenscheinlich abgesperrt und dichtgemacht.
    Schwarze Schweine tummelten sich vernachlässigt im Hof, kein Kind war da, sie zu füttern. Wäsche flappte und blähte sich an durchhängenden Leinen, keine Wäscherin war in Sicht.
    Anfangs war diese einsame Reise ohne jeden menschlichen Kontakt durch das Bergland erfrischend, aber als der Morgen fortschritt, überkam sie allmählich ein Unbehagen.
    »Hätte da nicht ein Wegweiser nach Mitrovica kommen müssen, Mick?«
    Er studierte die Karte.
    »Womöglich…«
    »… sind wir auf der falschen Straße.«
    »Also, wenn ein Wegweiser dagewesen wäre, dann hätte ich ihn auch gesehen. Am besten, wir schauen, daß wir von dieser Straße runterkommen und uns ein bißchen mehr nach Süden halten - dann stoßen wir näher bei Mitrovica auf das Tal.«
    »Und wie kommen wir von dieser elenden Straße runter?«
    »Sind schon an einigen Abzweigungen vorbei…«
    »Dreckpisten.«
    »Ja, entweder die, oder wir müssen weiter geradeaus.«
    Judd verkniff die Lippen. »Bitte ‘ne Zigarette«, sagte er.
    »Sind schon seit Kilometern alle.«
    Vor ihnen bildeten die Berge eine undurchdringliche Linie.
    Kein Lebenszeichen gab’s da; keinen zartgekräuselten Kaminrauch, kein Stimmen- oder Fahrzeuggeräusch.
    >Also gut«, sagte Judd, »wir nehmen die nächste Abzweigung.
    Schlimmer kann’s auf keinen Fall werden.«
    Sie fuhren weiter. Der Straßenzustand verschlechterte sich rapide, aus den Schlaglöchern wurden Krater, die Bodenerhebungen spürte man wie Körper unter den Rädern.
    Dann: »Da!«
    Eine Abzweigung: eine mit Händen zu greifende Abzweigung.
    Freilich, keine Hauptstraße. Genaugenommen nicht einmal die Dreckpiste, als die Judd die anderen Straßen eingestuft hatte, aber ein Ausweg aus der endlosen Perspektive der Straße, von der sie nicht mehr runtergekommen waren.
    »Wächst sich zu ‘ner elenden Safari aus«, sagte Judd, als der VW sich auf der trübseligen Fahrspur voranzustoßen und voranzuschürfen begann.
    »Wo bleibt dein Sinn fürs Abenteuer?«
    »Den hab’ ich vergessen einzupacken.«
    Jetzt ging es bergauf: Der Pfad wand sich hinein in die Berge.
    Der Wald schloß sich über ihnen, löschte den Himmel aus, und beim Fahren huschte ein schillerndes Flickwerk aus Licht und Schatten über die Motorhaube. Plötzlich der Gesang eines Vogels, sinnleer und optimistisch, und der Geruch junger Kiefern und unberührter Erde. Droben, weiter vorn, überquerte ein Fuchs den Weg und verhielt, während der Wagen auf ihn zubrummte, einen langen Augenblick beobachtend. Dann schlenderte er mit dem gemächlichen Schritt eines furchtlosen Prinzen ins Dickicht.
    Egal, wo wir hinkommen, dachte Mick, jedenfalls besser als die Straße, die wir verlassen haben. Schlimmstenfalls würden sie bald anhalten und ein Stück zu Fuß gehen, um eine Anhöhe zu finden, von der aus sie das Tal sehen konnten - und vielleicht Novi Pazar, friedlich hinter ihnen hingekuschelt.
    Die zwei Männer waren noch eine Fahrtstunde von Popolac entfernt, als der Kopf des Kontingents endlich vom Hauptplatz abmarschierte und seinen Platz am Körperrumpf einnahm.
    Nach diesem letzten Abgang blieb die Stadt vollkommen ausgestorben zurück. Nicht einmal die Kranken oder die Alten blieben an diesem Tag zurück; keinem einzigen sollten das Schauspiel und der Triumph des Wettstreits vorenthalten werden. Jeder Bürger, wie jung oder gebrechlich auch immer-die Blinden, die Verkrüppelten, die Säuglinge auf den Armen, schwangere Frauen -, alle kamen aus ihrer stolzen Stadt hinauf zum Festplatz. Das Gesetz verlangte ihr Zugegensein. Aber es hätte des Nachdrucks nicht

Weitere Kostenlose Bücher