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Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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Lederrucksack und schlich im Schutz der Felsnessel an der Wand entlang weiter.
    Hinter der nächsten Biegung verjüngte sich der Gang und endete kurz darauf vor einer massiven, mit zwei Schlössern gesicherten Tür. Der Zugang zu Lehmstichs Schließhöhle…
    Nattergriff eilte zur Tür hinüber und betrachtete die Schlösser. Hervorragend. Es war eine Schließvorrichtung aus dem porphyrenen Zeitalter, mindestens sechshundert Jahre alt. Der Verarbeitung nach wahrscheinlich von Eisengerbern hergestellt, den traditionellen Schlüsselschmieden des Großen Verwalters. Seit Generationen schmiedeten sie die Schlösser seiner Truhen, Türen und Schränke. Die Ungilde der Diebe hatte also genügend Zeit gehabt, ihre Schwächen herauszufinden. Nattergriff öffnete eine kleine Gürteltasche und zog eine graugrüne Schlüsselschrecke { * } hervor. Die Tiere waren schwer zu bekommen und noch schwerer abzurichten. Diese hier hatte ihn zwei Brocken Gold und ein gutes Dutzend Schichten Arbeit gekostet. Aber Diebstahl war eben Investition. Als das Insekt ans Licht kam, hob es zwei seiner sechs dünnen Panzerglieder an die tiefschwarzen Facettenaugen und streckte seinen langen, harten Körper zu voller Länge aus. Schlüsselschrecken waren die besten Nachschlüssel, die man sich vorstellen konnte. Sie erledigten die meiste Arbeit allein, vermochten ein Schloss innerhalb kürzester Zeit zu knacken und lebten überwiegend von Maden. Zumindest, solange man sie fütterte…
    Bragk Nattergriff schob das Insekt vorsichtig in das obere Schlüsselloch. Kaum dass sein glänzender Hinterleib darin verschwunden war, begann es im Inneren des Schlosses leise zu klicken. Die Schlüsselschrecke begann den Mechanismus abzulaufen. Bolzen um Bolzen. Schließlich schoben sich zwei Fühler aus dem Schlüsselloch. Das Tier steckte seinen Kopf heraus und glotzte ihn an.
    Nattergriff lächelte zufrieden. Er zog die Schrecke heraus, führte ihren Körper in das darunterliegende Schloss ein und hörte, wie sie sich in seinem Inneren zu bewegen begann.
    Und dann hörte er noch etwas anderes.
    Die Wachen!
    Aber das konnte doch nicht sein…
    Er warf einen Blick auf die Sanduhr. Die Wachen müssten eigentlich noch gut einen halben Gang entfernt sein! Ein Schweißtropfen lief unter seinem Helm hervor, als er sich zu dem Schlüsselloch hinabbeugte und im Inneren etwas zu erkennen versuchte. Er sah die Beine der Schlüsselschrecke rotieren und hörte ein leises Klicken. Einmal. Ein weiteres Mal. Die Stimmen der Wachen kamen näher. Ein klassisches Eisengerberschloss hatte vier Schließbolzen. Es klickte ein drittes Mal. Nattergriff sah die Schatten der Wachen um die Biegung herum auftauchen.
    Mit einem stummen Fluch eilte er zur Wand und zog sich den Tarnmantel über den Helm. Sie kamen tatsächlich zu früh! Bei der Stählernen Garde hätte es so etwas nicht gegeben.
    Und dann sah er sie. Durch die grobe Struktur des Stoffes konnte er sie deutlich erkennen. Zwei junge Kurzbärte, die beinahe noch Schale im Bart hatten { * } . Beide trugen die martialische schwarz-rote Uniform der Felswehr, Helme mit Visier und zwei geladene Stahlschleudern unter dem Arm. Es war noch nicht lange her, dass diese Waffen geächtet gewesen waren und dem obersten zwergischen Gesetz { ** } zufolge nur gegen Trolle oder Echsen eingesetzt werden durften. Nun aber, da sich durch die Verschwörung des Neuen Stahls Zwerge gegen Zwerge gewendet hatten, war der Große Verwalter vorsichtig geworden. Er wollte Macht demonstrieren. Einschüchtern. Jeden etwaigen Aufruhr im Keim ersticken. Und dafür schickte er nun Kurzbärte mit Schusswaffen durch die Gänge. Für einen anständigen Dieb war das kein Vergnügen. Vor einer Axt lief es sich weit besser davon als vor stählernen Kugeln. Zumal diese beiden mit einer Axt nicht den Hauch einer Chance gegen ihn gehabt hätten.
    Doch stattdessen trugen sie Stahlschleudern. Ein weiteres Mal hielt Bragk Nattergriff den Atem an.
    Sie kamen tatsächlich bis an die Tür. Einer der beiden war keinen Bart von ihm entfernt. Nur nicht atmen, dachte Nattergriff, nur nicht atmen. Ein zweiter Schweißtropfen lief ihm über die Stirn. Der Wachtposten zog eine Pfeife hervor, stopfte sie gemächlich und wandte sich dann an seinen Kollegen.
    „Sag mal, hast du eigentlich auch gewettet?“
    „Natürlich! Dieser Fazzgadt ist schließlich Teil des Schicksalszwergs { * } . Es wäre idiotisch, nicht auf ihn zu setzen. Schließlich sind die Götter selbst auf seiner

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