Das Achtsamkeits Buch
Spüren bedeutet dann, immer feinere Empfindungen beobachten zu können. Das Training von Achtsamkeit ermöglicht, Körperteile oder Empfindungen wahrzunehmen, die sonst unter der Bewusstseinsschwelle liegen.
Fokus Außenwelt
Mit dem bewussten Fokus auf die Außenwelt betreten wir die Welt der Sinne, öffnen uns der sinnlichen Erfahrung, um die unterschiedlichsten Landschaften zu erforschen: visuelle, aber auch Geräusch-, Tast-, Geruchs- und Geschmackslandschaften.
Achtsamkeit bedeutet, die Welt in zunehmendem Maße so wahrzunehmen, wie sie ist. Die einzelnen Elemente des Wahrgenommenen können immer mehr differenziert und durch genaue Beobachtung intensiver erlebt werden. Sich darüber bewusst zu werden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit in der Außenwelt richten, führt zur Einsicht, welchen Ausschnitten der Welt wir uns zuwenden. Es kann auch klar werden, welche Ausschnitte wir ausblenden. Wir können auch weniger benutzte Sinne schulen, können die Konzentration auf bisher wenig beachtete Objekte und ihre Qualitäten üben.
Achtsam zu sehen bedeutet, sich bewusst und absichtsvoll darauf zu konzentrieren, was wir mit unseren Augen wahrnehmen: Formen, Farben, Bewegung. Eine Rose zu sehen heißt, die einzelnen Blütenblätter, den Stängel, die Dornen, die Formen und feinen Farbschattierungen ganz genau wahrzunehmen. Dabei kann die Vorstellung helfen, die Rose auf eine Weise zu betrachten, als ob wir noch nie eine Rose gesehen hätten. Dies hilft, alle Assoziationen und Erinnerungen, die wir an Rosen knüpfen, für eine Weile in den Hintergrund rücken zu lassen um uns rein auf die visuelle Wahrnehmung zu konzentrieren. Um die Welt noch intensiver und vollständiger wahrzunehmen und zu genießen, können wir auch noch achtsam an der Rose riechen oder unseren Geschmackssinn nutzen, die Feinheiten einer liebevoll zubereiteten Mahlzeit zu erforschen.
Fokus Ruhe
Neben der Konzentration und Fokussierung auf Objekte gibt es auch die Möglichkeit, auf jenen Hintergrund zu fokussieren, in dem die Wahrnehmungen auftauchen: die Ruhefokussierung.Ruhe ist sowohl in der Innenwelt als auch in der Außenwelt zu finden. Man kann auf die Pausen zwischen den Geräuschen und auf innere Ruhe fokussieren. Der innere Bildschirm kann auch leer oder grau sein, der Körper entspannt sich, innerer Frieden kehrt ein.
Fokus Wandel
Den Fokus auf Wandel, auf Veränderungen zu richten, ist eine Anleitung, die am besten auf dem Hintergrund der buddhistischen Psychologie zu verstehen ist. Diese sieht in der Illusion von Stabilität und Dauerhaftigkeit eine wesentliche Quelle von Leid. In Wahrheit sei alles in Veränderung begriffen, alle gegenteiligen Wünsche sind zum Scheitern verurteilt. Gemäß der Anregung Buddhas, Aussagen nicht ungeprüft zu glauben, kann eben genau diese dauernde Veränderung der Welt, eben dieses Fließen zum Gegenstand der Beobachtung gemacht und damit erfahrbar werden. Wandel und Fluss können sowohl in der Innenwelt, als auch in der Außenwelt bewusst aufgesucht, fokussiert und beobachtet werden. Mit zunehmendem Training gelingt es, immer feinere Veränderungen immer genauer wahrzunehmen.
Fokus »Liebende Güte«
In vielen buddhistischen Traditionen spielt der Fokus auf »Liebende Güte« eine wesentliche Rolle. Als Richard Davidson (2002, S. 10), ein bedeutender amerikanischer Wissenschafter auf dem Gebiet der Achtsamkeitsforschung, tibetische Mönche um ihre Mitarbeit in einem Forschungsprojekt bat, stieß er auf ein für ihn völlig unerwartetes Hindernis. Die Mönche fragten ihn, welche Auswirkungen die Forschungsergebnisse im Hinblick auf das Wohlergehen anderer Menschen hätten. Sie mussten mithilfe des Dolmetschers erst überzeugt werden, dass die Forschung ihrem wesentlichsten Ziel dient, anderen Wesen zu helfen, was einem Ausdruck Liebender Güte entspricht. Die Kultivierung von Zuständen LiebenderGüte bis zur Verinnerlichung einer entsprechenden Haltung ist ein wesentlicher Teil buddhistischer Geistesschulung. Ziel ist die ausgewogene Entwicklung der Qualitäten von Liebender Güte (metta, maitri), Mitgefühl (karuna), Mitfreude (mudita) und innerem Frieden (Gelassenheit und Gleichmut; upekkha). Sie sind die natürliche Grundlage menschlichen Glücks.
»Wenn das Bewusstsein offen und friedlich ist, ruhen wir in Gleichmut. Wenn unser friedliches Herz anderen Wesen begegnet, füllt es sich mit Liebe. Wenn diese Liebe mit Schmerz konfrontiert wird, wandelt sie sich ganz automatisch
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