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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Erstes Buch
    Mauer
    Serenissimus war vor einigen Wochen plötzlich und hartnäckig wie immer auf den Einfall gekommen, ein Reglement über den Geschäftsgang bei der hochpreislichen Landesregierung in Weimar zu erlassen. Serenissimus hatte dem bleichen Geheimerate, der jetzt zwischen den Geheimeräten Schnauß und Schmidt, gegenüber dem wirklichen Geheimerate und Staatsminister Freiherrn von Fritsch saß, seine höchstpersönlichen Notizen zu diesem Einfall übergeben. Serenissimus hatte weiters eben demselben bleichen Geheimerate das Referat zur Sache in hochdero geheimem Consilio anvertraut. Dieses Referat war eben abgehalten worden. Hatte geschlagene drei Stunden gedauert. Die Paragraphi waren auf das Sorgfältigste durchberaten, die Bemerkungen der drei Herren Geheimeräte, wie Vorschläge zu Korrekturen, Amendements und Umstellung verschiedenen Paragraphorum gewissenhaftestes niedergelegt, und übrigens auch die Äußerungen der, gegen jede Gewohnheit, zur Abgabe ihrer Wohlmeinung einberufenen Herren Regierungspräsidenten von Weimar und von Eisenach und des ältesten Herrn Rates der landesherrlichen Kammer zu Weimar pünktlichst angemerkt worden.
    Nun schlug die Uhr der Schloßkirche drüben halb sechs.
    Die Herren Geheimeräte und, sogleich nach ihnen, die drei Herren Zugezogenen hoben die Häupter um einen Zoll höher in die graublaue Conseilstubenluft; in der letzten Viertelstunde hatte müdes, nachprüfendes Schweigen geherrscht.
    »Darf ich sonach feststellen«, fragte endlich der referierende Geheimerat, »daß der Entwurf angenommen ist?«
    »Herr Geheimerat sehen heute geradezu beängstigend aus«, sagte der Staatsminister von Fritsch über die grüne Öde des Tisches herüber. »Fehlt Ihnen etwas?«
    Der referierende Geheimerat lächelte prompt. Aber dabei wurde sein Gesicht nicht röter. »Mir liegt sehr an der Sache.« Sein Auge, zusammengekniffen, als ob der Blick schmerzte, lief in den Regen hinaus, der vor den Fenstern grau niedertroff; kehrte entschlossen wieder zurück und heftete sich auf die glatte, bewundernswert konservierte Miene des Herrn Staatsministers. »Ist der Conseil also einverstanden?«
    Der Herr Staatsminister – er hatte etwas Unnahbar-Würdehaftes, wenn er die Lippen aufeinanderpreßte – wandte sich zu den Fenstern hinüber, zwischen denen die drei Herren Zugezogenen saßen, und fragte hochmütig. »Haben die Herren vielleicht noch etwas zu bemerken?«
    Keine Minute später verschwanden der Regierungspräsident Bechtoldsheim, der Regierungspräsident Schmied und der Kammerrat Büttner, nach ergebenen Verbeugungen, durch die weiße Tür des Conseilsaales.
    »In der Sache völlig einverstanden«, sagte nun der Herr Staatsminister, und die Herren Geheimeräte Schnauß und Schmidt nickten zustimmend. »In puncto formali – im Stil – wünschte ich allerdings, gewissermaßen, etwas mehr Tradition. Er ist, um nicht mehr zu sagen, salopp.«
    »Serenissimus befahlen aber ausdrücklich . . . .«
    »Ich weiß! Ich weiß!« Der Herr Staatsminister trug drapfarbenen Frack und drapfarbene Weste; er war stark und groß und Drap machte ihn noch stärker. Dazu regte er sich jetzt auf. »Aber Herr Geheimerat sollten da wohl, denke ich, Ihren hochmögenden Einfluß auf Serenissimum ausüben, damit aus einer landesherrlichen Verordnung nicht, unter Umständen, etwas werde, was einem Gedichte in freien Rhythmen verdammt ähnlich sieht!«
    »Ich bin derselben Meinung«, hüstelte der Geheimerat Schmidt. Dieser war schmal, er stak im schwarzen Kleid und saß mit gekrümmtem Rücken. »Der Stil ist famos, – nichts zu sagen! – aber zu ungewöhnlich!«
    »Ja!« ließ sich die tiefe, biedere Stimme des Geheimerates Schnauß vernehmen. Er spielte, den Kopf tief in das grüne Tuch niedergebeugt, mit der Lorgnette. »Bin ich auch gewiß kein Feind freierer Gedanken in neuen legislativen Arbeiten, – eine gewisse Festhaltung der nicht grundlos in allen amtlichen Enunziationen konsequent bewährten Diktionen scheint auch mir nötig.«
    »Serenissimus kommt immer wieder auf diesen Punkt zurück!« begehrte der referierende Geheimerat auf; nun ward sein Gesicht ledergelb. »Er haßt den verholzten Kanzleistil wie der Teufel die Seele!«
    »Im öffentlichen Dienste entscheiden nicht persönliche Geschmacksurteile!« sprach der Herr Staatsminister unbekümmert aus. Er anerkannte die fabelhafte Fähigkeit des referierenden Herrn Geheimerats, sich in die heterogensten Materien einzufühlen, seine

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