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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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PROLOG
    Wenn das nicht der absolut beschissenste Abend meines ganzen scheißbeschissenen Lebens ist!
    Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich sagen ... minus sechs. Und dabei sind meine Ansprüche noch nicht mal besonders hoch.
    Regen läuft mir in den Kragen, während ich von einem blasenübersäten Fuß auf den anderen trete. Weil ich natürlich keinen Regenschirm dabei habe, halte ich mir meine Jeansjacke über den Kopf, aber die ist alles andere als wasserdicht. Ich will nur noch ein Taxi, nach Hause, diese blöden Stiefel ausziehen und mir ein schönes, heißes Bad einlassen. Aber wir warten hier nun schon geschlagene zehn Minuten, und weit und breit ist kein Taxi in Sicht.
    Meine Zehen bringen mich um. Nie wieder kaufe ich mir billige Schuhe. Diese Lackstiefel habe ich letzte Woche im Ausverkauferstanden (mit superflachen Absätzen, ich trage eigentlich immer flache Schuhe). Sie sind eine Nummer zu klein, aber die Verkäuferin meinte, sie weiten sich beim Tragen und machen schön lange Beine. Und ich habe ihr auch noch geglaubt. Ehrlich - wie kann man nur so bescheuert sein!
    Wir stehen an einer Straßenecke im Südwesten von London, und aus dem Club unter unseren Füßen wummert leise Musik. Carolyns Schwester macht Promotion und hat uns reingeschleust. Nur deshalb sind wir den ganzen Weg hier rausgefahren. Und jetzt wollen wir eigentlich nach Hause. Aber anscheinend bin ich die Einzige, die sich nach einem Taxi umsieht.
    Fi hat den einzig brauchbaren Hauseingang mit Beschlag belegt und schiebt diesem Typen, den sie vorhin am Tresen angequatscht hat, ihre Zunge in den Rachen. Er ist eigentlich ganz süß, bis auf sein kümmerliches Bärtchen. Und außerdem ist er kleiner als Fi - aber das sind viele Männer, denn sie ist immerhin einsdreiundachtzig. Sie hat lange, dunkle Haare, einen großen Mund und eine dementsprechende Lache. Wenn Fi irgendwas besonders lustig findet, geht bei uns im Büro fast gar nichts mehr.
    Ein paar Schritte weiter suchen Carolyn und Debs Arm in Arm unter einer Zeitung Schutz vor dem Regen und grölen It‘s Raining Men, als stünden sie noch immer auf der Karaoke-Bühne.
    »Lexi!«, kreischt Debs und streckt einen Arm aus, damit ich mich dazu geselle. »It s raining men!« Ihre blonde Mähne ist vom Regen ganz zerzaust, aber ihre Augen leuchten noch immer vor Begeisterung. Debs Lieblingshobbys sind Karaoke und Schmuck basteln. Heute Abend trage ich sogar ein Paar Ohrringe, die sie mir zum Geburtstag geschenkt hat: kleine, silberne Ls mit baumelnden Perlen.
    »Es regnet gar keine Männer!«, rufe ich missmutig. »Es regnet einfach nur!«
    Normalerweise finde ich Karaoke ja auch toll. Aber heute Abend bin ich einfach nicht in der Stimmung zu singen. Ich fühle mich so klein und verwundbar, als sollte ich mich lieber irgendwo verkriechen, weit weg von allen anderen. Wenn doch nur Loser Dave wie versprochen aufgetaucht wäre. Nach all den hdl-Simsen, nach all den Beteuerungen, er wäre spätestens um zehn Uhr hier, habe ich die ganze Zeit nur dagesessen, gewartet und die Tür im Blick behalten, obwohl die Mädels ständig sagten, ich solle ihn endlich in den Wind schießen. Ich bin echt eine selten dusselige Kuh.
    Loser Dave ist Autoverkäufer, und wir sind seit letztem Sommer zusammen, seit diesem Barbecue bei Carolyns Freund. Ich nenne ihn nicht etwa Loser Dave, um ihn zu kränken. Das ist schlicht und ergreifend sein Spitzname. Keiner weiß mehr, wie er dazu gekommen ist, und er erzählt es mir einfach nicht. Ihm wäre ein anderer Name natürlich lieber. Neuerdings nennt er sich selbst »Butch«, weil er findet, dass er wie Bruce Willis in Pulp Fiction aussieht. Okay, er hat einen Bürstenschnitt - aber da hört die Ähnlichkeit auch schon auf.
    Jedenfalls hat das mit dem neuen Image nicht so recht geklappt. Für seine Arbeitskollegen ist und bleibt er Loser Dave, genau wie ich das Frettchen bleibe. So hat man mich schon genannt, als ich elf war. Manchmal auch Zottelliese. Ehrlich gesagt ist mein Haar tatsächlich ziemlich strubbelig. Und meine Zähne stehen etwas schief. Aber ich sage mir immer, sie geben meinem Gesicht Charakter.
    (Das ist gelogen. Eigentlich sagt nur Fi, dass sie meinem Gesicht Charakter geben. Ich möchte meine Zähne am liebsten richten lassen, sobald ich das Geld zusammengespart und mich seelisch darauf eingestellt habe, mit einer Spange im Mund herumzulaufen - was vermutlich nie der Fall sein wird.)
    Ein Taxi taucht auf, und ich will es heranwinken, aber es

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