Das Alabastergrab
Politik durchzusetzen hatte.
Alois Kohlhuber hatte es in all den Jahren seines politischen Wirkens
verstanden, auffällig unauffällig zu bleiben. Keine Skandale, keine Affären.
Nicht dass er nie welche gehabt hätte, das nicht, aber er besaß die große
Fähigkeit, diese ohne öffentliches Aufsehen abzuwickeln. Unter dieser Prämisse
sah der Ministerpräsident auch diesen Fall: Öffentlichkeit vermeiden. Unter
allen Umständen.
Haderlein stellte sich Kohlhuber vor und versuchte, ihm möglichst
objektiv die Lage zu erklären.
Der Politiker nahm seine Ausführungen wortlos zur Kenntnis und sagte
nach kurzem Überlegen: »Herr Kommissar, ich möchte von Ihnen keine großen
Erklärungen. Laut der Informationen, die mir der Herr Innenminister und die
Frau Justizministerin haben zukommen lassen, kann ich Sie an Ihrer Aktion nicht
hindern. Aufgrund der juristischen Lage haben Sie genau zwölf Stunden Zeit, um
stichhaltige Beweise für Ihre Anschuldigungen zu sammeln. Wenn Sie danach keine
Fakten für ein Vergehen eines unserer Gäste vorlegen können, wovon ich mit
tiefster Überzeugung ausgehe, werden Sie so schnell von hier verschwinden, wie
Sie gekommen sind. Haben Sie mich verstanden, Herr Kommissar?«
Haderlein wurde zwar beim Gedanken an die versammelte bayerische
Politprominenz etwas unwohl, doch focht es ihn im Grunde nicht an. Er würde
hier nur seinen Job erledigen. Den Druck hatte er eben auszuhalten.
»Herr Kommissar, ich möchte Sie noch einmal dringendst auf den
Paragraphen 46 des Grundgesetzes über die Immunität von Abgeordneten
hinweisen«, schaltete sich jetzt die Justizministerin ein. »Ich hoffe sehr,
dass Sie und Ihr Staatsanwalt wissen, was Sie hier tun. Denn wenn nicht, wird
das für Sie sehr ernste Konsequenzen haben.« Mit einem giftigen Blick Richtung
Staatsanwalt trat sie wieder zurück ins Glied, während Edelmann mit rotem Kopf
hinter Haderlein Schutz suchte.
»Herr Ministerpräsident«, ergriff nun Haderlein das Wort. »Ich kann
Ihnen versichern, dass wir die Angelegenheit so diskret und vor allem auch so
schnell wie möglich hinter uns bringen werden. Dazu hätte ich nur noch eine
Bitte.« Der Ministerpräsident hob schweigend die Augenbrauen, sodass Haderlein fortfuhr.
»Wir bräuchten einen Raum im Kloster, in dem Herr Siebenstädter von der
Erlanger Gerichtsmedizin ungestört seine Arbeit verrichten kann. Er wird nur
wenige Stunden benötigen. Schließlich ist er der Beste seines Faches.«
Neben ihm wuchs Siebenstädter zehn Zentimeter in die Höhe, räusperte
sich und lächelte befriedigt. Kommissar Haderlein hatte soeben einen ganzen
Haufen Pluspunkte bei ihm gesammelt. Von nun an wusste selbst der bayerische
Ministerpräsident persönlich, was für ein toller Hecht er war.
Nachdem sich Kohlhuber kurz mit seinen beiden Ministern beraten
hatte, schlug er vor, dass Siebenstädter sein Lager im Bierstüberl des Klosters
aufschlagen sollte. Haderlein war einverstanden und stimmte auch der Bitte des
Ministerpräsidenten zu, die Gäste bis zur Feststellung von Fakten nicht zu
belästigen und den Herrn Innenminister stets auf dem Laufenden zu halten.
Dann drehte sich Kohlhuber ohne Verabschiedung um und begab sich mit
seinem ministralen Gefolge zurück in den Prunksaal, um wieder seinen gesellschaftlichen
Verpflichtungen als Oberster aller Bayern nachzukommen.
Haderlein atmete auf. Damit sollte er das Schlimmste eigentlich
überstanden haben – aber weit gefehlt. Staatsanwalt Edelmann war außer sich.
»Haderlein, Sie verdammter Idiot! Merken Sie jetzt endlich, was Sie
da angerichtet haben? Das ist das definitive Ende unserer beruflichen Laufbahn.
Von nun an kann ich die Akten im Gerichtskeller sortieren. Als Gehilfe der
Registratur! Und alles nur, weil Sie mich mit Ihren halbseidenen Beweisen rumgekriegt
haben! So eine verdammte Scheiße!«
Der Hauptkommissar schaute Edelmann entsetzt an. Was war denn in den
gefahren? Das hier war die entscheidende Aufklärungsphase in einem schwierigen
Mordfall, warum also machte sich der Staatsanwalt so plötzlich in die Hose?
Jetzt schaltete sich auch Fidibus in die Diskussion ein, der sich
seit geraumer Zeit im Hintergrund gehalten hatte, was sonst so gar nicht seiner
Art entsprach. »Herr Staatsanwalt«, versuchte er ihn zu beruhigen. »Kann es
sein, dass Sie bei Ihrer Beurteilung der Lage nicht unterscheiden können
zwischen Ihrer beruflichen Aufgabe und Ihrem angestrebten Amt in der Bamberger
Kommunalpolitik?« Haderleins Chef schenkte
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