Das Alabastergrab
bekommen Sie
allerdings nicht, sondern das hier.« Mit diesen Worten zog er ein
Tempotaschentuch aus der Hose, schnäuzte einmal kräftig hinein und gab das
klebrige Teil Haderlein unaufgefordert in die Hand.
»Jetzt werden Sie doch nicht kindisch, Herr Umweltminister! Aber
reichen tut das, vielen Dank. Vielleicht war das ja wirklich das letzte Mal,
dass ich Sie belästigen musste«, sagte Haderlein gegen jede Überzeugung, drehte
sich wortlos um und verließ die feiernden Politiker. Für den unbeteiligten
Beobachter hatte die Szene bis auf die Rotzfahnenübergabe so ausgesehen wie
eine intensive politische Diskussion.
Im Foyer blickten ihn alle erwartungsvoll an. Triumphierend hob er
das Taschentuch.
»Wir haben ihn!«, sagte Haderlein im befriedigten Brustton der
Überzeugung. »Und Siebenstädter wird ihn überführen.«
»Das will ich auch schwer hoffen, Herr Kommissar«, sagte Edelmann,
der noch nicht ganz überzeugt schien. »Denn wenn nicht, dann dürfen wir uns
alle nach einem neuen Beruf umsehen.« Mit einem düsteren Gesichtsausdruck
drehte er der Gruppe den Rücken zu und ging nach draußen.
*
Als sie alle wieder vor der Toreinfahrt an der Straße standen,
schaute Haderlein suchend nach rechts und links, aber von Siebenstädter und
seinem rollenden Labor war weit und breit nichts zu sehen. Dafür klingelte das
Handy von Lagerfeld. Huppendorfer war gerade dabei, den Vorsitzenden der
Anglerprüfungskommission Stefan Wurm zu verhören.
»Bernd, es gibt richtig dramatische Neuigkeiten! Kannst du dich noch
an diese mysteriöse Internetseite erinnern, über die das nächtliche Komplott
gegen Rast gelaufen ist?«, fragte ihn Huppendorfer.
Lagerfeld konnte sich sogar sehr gut daran erinnern. Verzweifelt
hatten sie versucht, den Provider und somit den Urheber der ganzen Aktion
ausfindig zu machen. Leider war alles zu clever verschleiert gewesen und alle
digitalen Spuren gründlich beseitigt worden. Die Internetplattform
www.rast-los.com war zu hundert Prozent nicht mehr nachvollziehbar.
»Also, dieser Wurm hier sagt, er habe einmal mit der Initiatorin
dieses Chatrooms gesprochen und deren Handynummer auch noch in seiner
Anruferliste gespeichert.«
Lagerfeld warf seine Zigarette weg. »Hast du die Nummer überprüft?«,
fragte er hellwach.
»Hab ich, ja, aber die verhält sich wie diese Nummer vor ein paar
Tagen. Die ist so angelegt, dass kein Inhaber beziehungsweise keine Inhaberin
ermittelbar ist. Ich geb Sie dir mal durch.«
Lagerfeld zog mit einer Hand umständlich seinen Notizblock aus der
Tasche, gab ihn Driesel und bedeutete diesem, für ihn die Nummer zu notieren,
während er die Zahlen von Cesar Huppendorfer laut wiederholte. Nach dem Ende
des Telefonats riss er den Notizzettel heraus, gab ihn an Haderlein weiter und
erklärte ihm die Sachlage.
»Eine Sie also, sagt Huppendorfer?« Der Hauptkommissar war
überrascht. Er war eigentlich davon überzeugt gewesen, dass auch hier der
Umweltminister dahintersteckte. Aber in ihm reifte ein Verdacht.
Doch er kam nicht dazu, weiter über die Vermutung nachzudenken, denn
in dem Moment hielt Siebenstädter mit seinem Kleinlabor in Form eines beigen
Ford-Kleintransporters vor ihnen. Haderlein ließ ihn gleich in den Innenhof
fahren und mittig vor der großen Treppe parken. Als Siebenstädter ausstieg,
vermied es Haderlein tunlichst, den verkorksten Besuch in der Gerichtsmedizin
zu erwähnen. Wenn er im Moment etwas nicht gebrauchen konnte, dann war es
Zeitverlust durch Streitereien.
In wenigen Worten weihte er Siebenstädter in die Sachlage ein und
bemerkte mit Befriedigung dessen verblüfftes Gesicht, als er erfuhr, gegen wen
hier ermittelt wurde. Sein grenzenloses Erstaunen verstärkte sich noch, als
niemand Geringeres als der bayerische Ministerpräsident Kohlhuber in Begleitung
des Innenministers und der Justizministerin die Treppe herunterkam. Kohlhubers
Blick verhieß beileibe nichts Angenehmes.
Alois Kohlhuber war in seiner ersten Amtszeit Ministerpräsident. Als
gestandener Oberbayer und langjähriges Mitglied im Kabinett des aus
Altersgründen ausgeschiedenen Vorgängers vertrat er nach außen gerne den
ausgeglichenen, präsidialen Führungsstil. Dieses Auftreten hatte ihm bei der
bayerischen Wählerschaft ein sattes Polster mit absoluter Mehrheit für seine
Partei im Maximilianeum verschafft. Doch die nach außen gezeigte
unerschütterliche Ruhe durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Mann
wusste, wie man sich in dem Haifischbecken der
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