Das Alabastergrab
hatte. Und wenn Lagerfelds Auftrag auch noch
erfolgreich wäre, war der Umweltminister so gut wie geliefert.
*
Der Beamte am Steuer fuhr wie der Teufel, während Lagerfeld auf dem
Beifahrersitz verzweifelt versuchte, eine Baufirma aus dem Schlaf zu klingeln,
doch Ende August um Mitternacht war das keine einfache Aufgabe. In Bayern waren
Schulferien, und viele Unternehmer hatten Betriebsurlaub. Nach mehreren vergeblichen
Versuchen beschloss er, die Polizei in Bad Neustadt/Saale um Hilfe zu bitten.
Schließlich kannten die ihre Pappenheimer am besten.
Als beide Beamte schon fast in Bad Neustadt angekommen waren, bekam
Lagerfeld endlich den erlösenden Anruf der dortigen Polizei, dass die es
geschafft hatte, einen Bauunternehmer zu organisieren. Der Kommissar beorderte
die Neustädter Kollegen schnurstracks mit den Baugerätschaften hinauf zum
Kreuzberg, rief danach im Kloster an und ließ sich mit dem verschlafenen Pater
Anselm verbinden. Natürlich löste sein Ansinnen nicht gerade Begeisterung beim
Bruder aus, aber als er die besten Grüße von Kommissar Haderlein übermittelte,
war der Klosterleiter schon sehr viel milder gestimmt und hatte nichts mehr
gegen das Vorgehen einzuwenden. Verhindern hätte er die ganze Aktion sowieso
nicht können, aber trotzdem war es Lagerfeld lieber, solch heikle
Unternehmungen vorher einvernehmlich zu klären.
Während der Kommissar sich bedankte und auflegte, bog der Wagen kurz
vor den Toren Bad Neustadts nach rechts auf die Umgehungsstraße Richtung Fulda
ab und brauste mit Vollgas der höchsten Erhebung der bayerischen Rhön entgegen.
Auf halbem Wege, auf Höhe der kleinen Ortschaft Wegfurt, holten sie die
örtliche Polizei mit ihren beiden Streifenwagen und den Bautrupp ein. Zusammen
legten sie als Kolonne das letzte Stück bis zum Kloster Kreuzberg zurück.
Pater Anselm erwartete sie schon mit einer verstörten und besorgten
Miene. Lagerfeld erklärte dem Geistlichen, was genau sie vorhatten, woraufhin
Pater Anselm betroffen nickte und ihnen voran die vielen steinernen
Treppenstufen nach oben ging. An den drei großen Kreuzen wandte er sich nach
links, bis die Gruppe an einem massiven, steinernen Bildstock des Kreuzwegs
anhielt.
»Das müsste er sein«, sagte der Geistliche leise. »Ich hoffe bei
Gott, dass Sie nicht das finden, was Sie suchen.«
Sicherheitshalber zog Lagerfeld den Zeitungsausschnitt heraus, den
Haderlein ihm mitgegeben hatte, und verglich das Foto mit dem Bildstock vor
ihm. Die Abbildung zeigte den jungen Kolonat Schleycher, wie er lächelnd mit
Maurerkelle neben einem Bildstock kniete. Es handelte sich definitiv um
denjenigen, vor dem auch sie gerade standen. Lagerfeld nickte dem Chef des
Bautrupps zu, der seinen Männern sofort die Anweisung gab, die Gerätschaften
für Lichterzeugung und Pressluft vom Parkplatz aus heraufzuschaffen.
Kriminalkommissar Lagerfeld konnte nur noch warten.
*
Siebenstädter hatte seine Untersuchungen fürs Erste abgeschlossen.
Haderlein stand nicht ohne eine gewisse Ungeduld neben dem Pathologen. Während
der letzten zwei Stunden war er immer wieder den Fall von vorne bis hinten
durchgegangen und war stets zum gleichen Ergebnis gekommen.
»So«, sagte Siebenstädter zufrieden, »jetzt lassen wir mal den
Computer arbeiten, und in fünfzehn Minuten haben wir das Ergebnis.«
»Wie funktioniert eigentlich so ein Test genau?«, fragte Haderlein
beiläufig, um sich in dieser sich hinziehenden Wartezeit wenigstens etwas
weiterzubilden. Siebenstädter schaute ihn erst mitleidig an, so als ob er
seinem Jagdhund die Einstein’sche Relativitätstheorie nahebringen müsste, dann
seufzte er ergeben. Und, oh, größtes aller Wunder, er verkniff sich eine seiner
berüchtigt arroganten Redensarten und bemühte sich um eine freundliche und
fachliche Auskunft.
»Das ist so«, begann Siebenstädter und setzte sich auf einen Stuhl,
»der Ausgangspunkt der ganzen Methode ist der DNA -Strang.
Die Erbinformation jedes Lebewesens liegt in der Vielzahl ihrer kleinsten
Einheiten vor. Wenn sich nun die mütterliche und die väterliche DNA vermengen, entsteht eine einmalige
Mischung der Erbanlagen, ein einzigartiger genetischer Fingerabdruck. Die
nichtcodierenden Eigenschaften von DNA -Abschnitten,
also die Gene, die im Laufe des Lebens nicht verändert werden können, sind genau
diejenigen, die sich die moderne Kriminalistik zunutze macht. Was ich hier zum
Beispiel tue, ist Folgendes: Ich habe bereits die DNA isoliert und durch
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