Das Alabastergrab
dessen Bruder
oder Vater. Sie müssen also nach dem Bruder oder dem Vater des Umweltministers
suchen.«
*
Auf dem Kreuzberg in der Rhön näherten sich die Arbeiten der
entscheidenden Phase. Mehrere Baustrahler waren aufgestellt worden, die den
Platz um die Kreuzwegstation hell beleuchteten. Den Stein am Fuß hatten die
Männer abgeflext, und nun wurde die Station vorsichtig mit Hebeleisen ins Gras
gelegt. Der Chef der Baufirma winkte Lagerfeld herbei: »Das ist ein
Riesenfundament, Kommissar, für so eine Kreuzwegstation völlig
überdimensioniert. Da hat es damals jemand aber wirklich gut gemeint.«
Dann winkte er seinen Vorarbeiter mit dem Presslufthammer heran, und
dieser begann auf sein Geheiß hin, das Betonfundament unter großem Lärm von der
Seite her abzumeißeln. Alles verlief normal bis etwa zum ersten Viertel der
Fundamentfläche. Plötzlich hörte man einen hohlen Ton, und der Meißel des
Bohrhammers brach mit einem trockenen Knacken durch die Betondecke in einen
Hohlraum. Dann verstummte der Lärm des Presslufthammers, und eine unerträgliche
Stille machte sich breit.
Lagerfeld betrachtete die frische Öffnung und wies den Arbeiter an,
das Loch vorsichtig mit einem Hammer zu vergrößern, ohne etwas zu beschädigen.
Der Mann tat, wie ihm geheißen, bis schließlich eine etwa anderthalb mal ein
Meter große Öffnung freigelegt war. Alle Anwesenden schwiegen angespannt, nur
der Benzingenerator für den Strom ratterte leise in der Nacht.
Lagerfeld kniete sich neben das Loch und befühlte die zwei
geschrumpften Plastiksäcke. Mit seinem Taschenmesser schnitt er beide auf, dann
winkte er Pater Anselm herbei, damit dieser einen Blick auf das traurige Bild
werfen konnte, das sich ihnen bot.
Der Geistliche bekreuzigte sich und musste sich dann erschüttert ins
Gras setzen. Lagerfeld stellte sich neben ihn und wählte Haderleins Nummer.
*
Den Hauptkommissar erreichte der Anruf seines jungen Kollegen genau
in dem Moment, als draußen vor der Tür Innenminister Erlmayer rebellierte und
forderte, dass jetzt endlich alle ins Bett gehen sollten, und im Bierstüberl
der Staatsanwalt Felix Edelmann die verschiedenen Todesarten durchdeklinierte,
die er Kommissar Haderlein an den Hals wünschte. Was Lagerfeld zu berichten
hatte, änderte die Situation jedoch grundlegend.
Am Ende des Telefonats befahl Haderlein ihm, die Fundstelle zu
fotografieren und sofort zum Kloster zurückzukommen. In einer Stunde sollte das
zu schaffen sein. Nachdem der Hauptkommissar aufgelegt hatte, gab er umgehend
die Nachricht vom grausigen Fund Lagerfelds auf dem Kreuzberg bekannt. Das saß.
Völlig erschlagen von der unerwarteten Wendung der Ereignisse
hockten alle im Bierstüberl zwischen den Gerätschaften von Siebenstädter und
wussten nicht, was sie sagen sollten.
Haderlein blickte von einem zum anderen und fasste dann einen
einsamen Entschluss. Innerhalb von wenigen Minuten war ihm klar geworden, was
hier tatsächlich abgelaufen war. Er wusste nun, wie er das Puzzle
zusammenzufügen hatte. Vaterschaftstest! Warum war er da nicht früher
draufgekommen? Hoch lebe die moderne Wissenschaft!
»Mir reicht’s!«, sagte er. »Ich werde jetzt da raufgehen und die
Bombe platzen lassen. Ich weiß, was hier gespielt wurde. Wer begleitet mich?«
Alle schauten ihn verblüfft an, nickten aber, sogar Staatsanwalt Edelmann und
der Innenminister stimmten zu. Jegliche Bedenken waren von ihnen gewichen.
Als sie den Prunksaal von Kloster Banz betraten, bot sich ihnen ein
denkwürdiges Bild. Manche der Abgeordneten waren auf ihren Stühlen
eingeschlafen, andere unterhielten sich noch mehr oder weniger gequält. Wieder
andere hatten den zweiten oder dritten Hunger bekommen und machten sich am
Buffet zu schaffen. Umweltminister Kolonat Schleycher hielt sich mit Gabi Haier
und verschiedenen unbekannten Abgeordneten in der Nähe des Podiums auf, und
Ministerpräsident Kohlhuber trank mit Altbischof Griebel und der
Justizministerin ein Bier.
Als die Anwesenden der Ankömmlinge gewahr wurden, verstummten die
Gespräche. Grund mochte die aufgestaute Spannung sein oder aber der veränderte
Ausdruck in Haderleins Gesicht, in dem der Tag seine Spuren hinterlassen hatte.
Der Ministerpräsident stellte sein Bier ab und kam auf Haderlein zu.
»Ich will für Sie hoffen, dass Sie Fortschritte gemacht haben, Herr Kommissar.
Niemand hier ist in der Lage, noch weitere Sympathie für Ihr übertriebenes
Handeln aufzubringen«, meinte er drohend.
Haderlein winkte
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