Das Alabastergrab
keine Ahnung, wovon der Mann sprach.
Nikolais Blick wurde immer kälter. Er gab Igor ein Zeichen mit dem
Kopf, woraufhin dieser die Frau durch die Wohnung in Richtung Schlafzimmer
schleppte.
Manuela Rast hatte Angst, wahnsinnige Angst, doch dafür begann sich
auch der Mut der Verzweiflung in ihr zu regen. Sie musste etwas unternehmen,
aber sie bekam fast keine Luft mehr. Als der Mann hinter ihr sie an den Rand
ihres eigenen Bettes gezogen hatte, nahm sie allen Mut zusammen. Sie erwischte
nur den Teil eines seiner Finger – aber das war genug. Sie spürte, wie ein
Knochen zwischen ihre Zähne geriet, und biss kräftig zu. Mit einem lauten
Aufschrei ließ der Mann sie los und fiel nach hinten aufs Bett.
»Kurwa!« , stieß er fluchend hervor, bevor er ihr ins Gesicht
schlug.
Von der Wucht wurde Manuela Rast herumgewirbelt und fiel benommen
aufs Bett neben den blutenden Mann.
*
Haderlein zog zum dritten Mal auffordernd an der Leine, doch
Riemenschneider stand wie festgemauert da, rührte sich nicht vom Fleck und
blickte dabei nicht nach oben in Richtung Bierkeller, sondern in die enge
Concordiastraße, in der es wirklich nichts zu sehen gab.
»Was soll das, Riemenschneider?«, empörte sich ihr Herrchen. So
hatte er sein Ferkel noch nie erlebt. Gab’s dahinten Freibier, oder was sollte
der Schmarrn? Als Riemenschneider endlich loslief, zerrte sie ihn zielstrebig
in die dunkle Concordiastraße hinein.
»Na, da bin ich aber gespannt, was du Sensationelles entdeckt hast«,
stöhnte Haderlein hilflos, während er versuchte, mit seinem trabenden Ferkel
Schritt zu halten.
Direkt vor dem Haus der Familie Rast hielt Riemenschneider abrupt an
und schaute Haderlein verzweifelt an, der bei ihrem Anblick lachen musste.
»Ja, super, du Detektivin. Richtig, hier waren wir gestern zum
Verhör. Gut gemerkt.« Er ging in die Hocke und tätschelte den Kopf von
Riemenschneider. Dann hielt er in der Bewegung inne. Riemenschneider war doch
gar nicht dabei gewesen, als er mit Lagerfeld Manuela Rast besucht hatte. Woher
also kannte das Ferkel das Haus? Es stand da wie ein Spürhund, fixierte die
Eingangstür mit seinen Schweinsäuglein und sonderte einen dermaßen tiefen,
bedrohlichen Ton ab, dass Haderlein ganz anders wurde. Wenn Riemenschneider
hätte bellen können, hätte sie es jetzt getan. Aber was war mit ihr los? Was
wollte sie hier? Plötzlich wurde er von dem verzweifelten Schrei einer Frau jäh
aus seinen Gedanken gerissen.
*
»Verdammte Hure«, fluchte Igor auf Russisch. Von seinen Fingern
tropfte das Blut auf das mandarinfarbene Bettlaken.
Nikolai betrachtete die Frau. Der Bademantel war nach oben
gerutscht. Testosteron überschwemmte seinen Körper, aber er zügelte sich. Er
war Profi, und das hier war Arbeit und kein Vergnügen.
Nach dem Biss hatte Igor das Gefühl, als würde sein Finger nonstop
mit einem Vorschlaghammer traktiert werden. Diese verdammte Schlampe. So ein
zierliches, hübsches Ding und dann so eine Kraft. Dafür würde sie büßen müssen.
Aber anscheinend hatte auch die Hure etwas abgekriegt, denn sie schien nicht
mehr ganz bei sich zu sein und bewegte sich träge auf dem Bett. Ihre
wohlgeformten Brüste hoben und senkten sich unter dem Bademantel. Igor sah, wie
Nikolai sein Armeemesser zog, um die Sache zu beenden. Aber so leicht sollte
die Nutte nicht davonkommen. Igor hielt den Arm von Nikolai zurück, woraufhin
er von diesem einen erstaunten und missbilligenden Blick erntete.
Nikolai musste warten. Mit dieser gut aussehenden Frau würde er,
Igor, erst noch seinen Spaß haben, bevor sein Kollege ihr sein Messer ganz
langsam zwischen die Brüste ins Herz trieb. Igor würde sie dabei festhalten und
zusehen, wie ihr das Leben langsam aus den Augen wich. In Tschetschenien hatten
sie das schon Dutzende von Malen praktiziert, aber diese Frau hier, die war
etwas anderes als die tschetschenischen Schlampen, die sie in ihren
zerschossenen Wohnungen gefunden und umgebracht hatten. Seine Erregung übermannte
ihn. Er legte sich hinter sie und öffnete hektisch seine Hose.
Manuela Rast kam langsam wieder zu Bewusstsein. Der Nebel in ihrem
Kopf lichtete sich allmählich. Dumpf hörte sie jemanden auf Russisch fluchen.
Ihre linke Gesichtshälfte brannte lichterloh, doch der Schmerz half ihr, wach
zu werden.
Schlagartig kehrte die Erinnerung zurück. Hinter sich hörte sie ein
tiefes Keuchen. Dann spürte sie, wie sich eine verschwitzte Hand unter ihren
Bademantel schob und sah den schweren, stinkenden
Weitere Kostenlose Bücher