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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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KAPITEL NULL
11 Uhr, 26 . Dezember 1977
    Ich wollte es durchstehen, diesmal auf kaltem Wege. Keine Drogen, um die Symptome des Entzugs zu lindern. Ich hatte eine schlaflose Nacht verbracht, geschwitzt und gezittert. Vielleicht hatte ich geschlafen und träumte jetzt, daß ich nicht geschlafen hatte, und schlief jetzt folgerichtig. Ich drehte mich um, drosch das Kopfkissen in die richtige Form und versuchte mich zu entspannen. Zehen und Schienbeine waren taub. Ich versuchte zu überprüfen, ob nicht doch Gefühl drin war, erst mit einem Fuß gegen den anderen, dann mit zitternden Händen. Je mehr ich mich anstrengte, die Hände ruhig zu kriegen, desto unkontrollierbarer wurden sie.
    Das wird schon wieder, wenn man einfach im Bett bleibt. Heute braucht man nichts zu tun, man braucht niemanden zu treffen, mit niemandem zu reden, nichts zu essen oder zu trinken. Einfach im Bett bleiben und durchhalten.
    Es war egal, daß ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Ich konnte den ganzen Tag schlafen, und selbst wenn ich heute nicht schlafen konnte, konnte ich, falls nötig, eine ganze Woche im Bett verbringen. Das würde ich tun. Ich fühlte mich besser, setzte mich auf. Ich streckte die Hand nach meiner Pfeife aus, nahm sie aus dem Aschenbecher. Das war gut. Das war mir gelungen. Ich hob eine Schachtel Streichhölzer auf –, meine Hände zitterten nur ganz leicht. Ich steckte mir die Pfeife an, schüttelte das Streichholz, um es auszumachen, versuchte es mit Pusten, ließ meine Pfeife fallen, warf das Streichholz in den Aschenbecher und sah ihm zu, wie es abbrannte. Ich hob die Pfeife wieder auf, versuchte, sie in den Aschenbecher zu legen, und verfehlte ihn um mehrere Zentimeter, wodurch der Aschenbecher auf den Fußboden gekippt wurde. Vergiß doch die Pfeife und den Aschenbecher. Nichts brennt. Liegen lassen.
    Ich legte mich wieder aufs Kissen zurück, wich aber plötzlich aus, weil sich eine Nachttischlampe darauf vorbereitete, mich anzugreifen …, es dann aber doch ließ. Sie blieb, wo sie war. Das furchtbare Jucken fing wieder an. Jetzt fiel es mir ein –, das hatte mich wach gehalten. Ich war über und über mit Insekten bedeckt.
    Auf dem Flur draußen konnte ich immer noch die Standuhr hören; das leise, tröstliche, regelmäßige »Tack«. Es gab kein »Tick«, die Uhr sagte nur »Tack«. Ich lauschte angestrengt auf das »Tick«. Es gab keins, und ich wußte natürlich, warum. Die Regelmäßigkeit ihrer geklopften Botschaft hatte mich fuchsteufelswild gemacht –, nicht »tick-tack«, sondern diese Bausteine aus gepreßter Schlacke, »Ytong, Ytong, Ytong« (ich hatte sogar versucht, mich auf »Teepott, Teepott« umzuschulen), so daß ich die Uhr in ein anderes Zimmer getragen und mit Kissen bedeckt, beide Türen geschlossen hatte und wieder ins Bett gegangen war. Deshalb konnte ich nur das leise, entfernte »Tack« hören, »Tack … Tack … Tack … Tack … Ticktack … Tick? … Tack … Ticktack … Ytong … Ytong«, verdammt, laß mich zufrieden … Ich begrub meinen Kopf in den Kissen. Ich konnte nichts hören. Ich strengte mich an. Nichts …, nur das entfernte »Ytong, Ytong«. Ich setzte mich auf. Die Schlafzimmertür war offen. Die Uhr stand immer noch auf dem Etagenabsatz. Mir fiel ein, daß ich gegen sie gestoßen war, als ich an ihr vorüber wankte, nachdem ich mich das letzte Mal übergeben hatte. Und die Kissen –, sie lagen immer noch auf dem Bett. Es mußte ein Traum gewesen sein. Also hatte ich geschlafen. Also gut –, ich werde aufstehen und nach unten gehen und einfach den ganzen Tag fernsehen. Niemand wird da sein, außer John, David und Batch. Die hatten mich alle schon mal mit Flattermann gesehen, und ich hatte überall herumerzählt, daß ich über Weihnachten verreist war …
    Wenn man nicht sicher ist, ob man sich übergeben wird oder nicht, ist das Letzte, was man braucht, jemanden, der Umstände macht: »Geht es dir gut? Du siehst ein bißchen blaß aus. Wie wär’s mit einer schönen Tasse Tee? Und vielleicht einer dünnen Scheibe Toast mit pochiertem Ei obendrauf?«
    Ich wollte gerade beschließen aufzustehen, als David hereinkam und mich fragte, wie es mir ging, und ob ich vielleicht irgendwas wollte, wie zum Beispiel eine schöne …
    »Nein«, schnappte ich. Aber die Wörter für den übrigen Satz, obschon im Kopf bereits gebildet, ließen sich einfach nicht artikulieren. »Mir … Ich … L-l-l-l-laß mich einfach … Ma … Mo … ment.

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