Das Alabastergrab
gab es eine kleine Wallfahrtskirche und im Sommer auch
eine Schenke mit Biergarten. Tagsüber wimmelte es hier nur so von Touristen. Aber
morgen war Dienstag und damit Ruhetag.
Jetzt war es dunkle Nacht, und auf dem Staffelberg würde man außer
ein paar Füchsen niemanden mehr antreffen. Doch bis zur Schenke wollte Nikolai
gar nicht fahren. Er durchquerte das stille Örtchen Romansthal, das auf halbem
Weg zum Gipfel am Berg klebte, steuerte den Tiguan durch die dunkle Ortschaft
hindurch und fuhr dann noch circa einen Kilometer weiter, bis er auf den
offiziellen Parkplatz einbog, der den Wanderer zum letzten Anstieg hinauf zur
Schenke nötigte. Nikolai stellte den Wagen am höchsten Punkt des Parkplatzes
knapp oberhalb des Skiliftes ab.
»Was wollen wir hier?«, stöhnte Igor »Ich brauche einen Verband,
verdammt.« Er betrachtete kritisch seinen Mittelfinger, aus dessen Fleisch zwei
Zentimeter herausgebissen waren. Der Knochen schimmerte weiß.
»Weißt du, was ein DNA -Test
ist, Igor?«, wollte Nikolai wissen, während er sich nach hinten zur Rückbank
streckte und in seiner Tasche wühlte.
» DNA ? Nein,
verflucht!«, blaffte Igor beleidigt. »Woher soll ich das wissen? Jetzt fahr
endlich oder mach mir einen Verband …« Seine Stimme versagte, als er in den
Lauf eines Schalldämpfers blickte.
»Ein DNA -Test sagt,
dass Igor bei dieser Frau war und ziemlich viel Mist gebaut hat.« Nikolai
sprach zu seinem Kumpel wie zu einem Kleinkind. »Zu viel. Du hättest einfach
nicht bluten sollen.«
Igors gesunde Hand tastete sich zum Messer an seiner Seite vor, doch
es war zu spät. Nikolai hatte den Abzug seiner Heckler und Koch bereits
gedrückt. Die Scheibe auf der Beifahrerseite splitterte, und Igors Gehirn
tropfte zäh die Kopfstütze hinab.
Nikolai durfte keine Zeit verlieren. Er stieg aus und sah sich um.
Es war eine sternenklare Nacht, und niemand war zu sehen. Nur am anderen Ende
des Parkplatzes stand einsam ein Auto. Nikolai nahm seine und Igors Tasche aus
dem Wagen und ging zielstrebig auf das andere Fahrzeug zu.
*
Die enge Concordiastraße wimmelte von lauter Polizei. Die Häuser der
Weltkulturerbestadt wurde ins blaue Licht der Einsatzwägen der Polizei
getaucht. Haderlein überließ den Befund des Tatorts der Spusi, Ruckdeschl
wusste ja, wo er ihn finden konnte.
Der Hauptkommissar hatte Manuela Rast einhundert Meter weiter in
seine Wohnung gebracht, um sie dort ärztlich versorgen zu lassen. Dafür hatte
er, ohne nachzudenken, das Zimmer seiner verstorbenen Frau geöffnet und eine
Wolldecke vom Bett genommen. Seit sie gestorben war, wusste er nicht so recht,
was er mit dem Zimmer anfangen sollte, in dem noch ihr gemeinsames Ehebett
stand. Er hatte es all die Jahre nicht übers Herz gebracht, es auszuräumen, und
so verwandelte sich das ehemalige eheliche Schlafzimmer nach und nach in eine
Rumpelkammer, in der alles abgestellt wurde, was sonst nirgends unterkam.
Stehlampen, Stühle, Decken oder auch Reisekoffer stapelten sich hier.
Nach dem Tod seiner Frau hatte Haderlein sein Domizil im Gästezimmer
aufgeschlagen und war dort schlussendlich auch geblieben. In diesem Zimmer lag
nun auch Manuela Rast, neben der der Notarzt saß und gerade seine Tasche packte.
»Soweit ich das feststellen kann, ist ihr nichts Ernstes passiert«,
sagte er zu Haderlein. Der Ermittler atmete auf.
»Sie hat eine mittelschwere Gehirnerschütterung und ein Ödem am
Wangenknochen der linken Gesichtshälfte. Ganz normale Verletzungen in einer
Ehe«, fügte er mit zynischem Gesichtsausdruck hinzu.
»Nach Scherzen ist mir heute eigentlich nicht mehr zumute«, gab
Haderlein zurück. »Ich bin schon froh, dass sie überhaupt noch am Leben ist.«
Er blickte zu Riemenschneider hinüber, die brav neben dem Bett stand, als
wollte sie Manuela Rast ganz allein und auf Tod und Teufel bewachen. Den einen
Hinterfuß streckte sie allerdings noch immer leicht von sich. Nach einigem
Überlegen fragte Haderlein: »Herr Doktor, wenn es Ihnen nicht zu verrückt
erscheint, könnten Sie auch mal nach dem Fuß meines Schweins schauen? Das ist
nämlich der eigentliche Held des Tages, nicht ich.«
Ungläubig verzog der Notarzt das Gesicht, kniete sich dann aber
neben Riemenschneider auf den Dielenboden, um ihren Fuß zu befühlen. Als er
sich wieder erhob, meinte er: »Also, ich bin ja kein Tierarzt, aber ich glaube,
gebrochen ist nichts. Wahrscheinlich eine Dehnung oder Prellung. Das sollte
vorbeigehen.«
»Danke, Doktor. Und was ist mit der
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