Das Amulett der Pilgerin - Roman
den Ihr Freund versprochen hat?«
»Hat er das? Na dann.« Julian nahm eine Münze aus seinem Beutel und drückte sie in die ausgestreckte Hand. Wenn Rinaldo das Pferd erst gegen Mittag gekauft hatte, bestand die Möglichkeit, dass er nicht vor morgen abreisen würde, hoffte Julian. Immerhin hatte er jetzt eine heiße Spur, wenigstens den mysteriösen, anderen Mann zu finden, der ebenfalls nach dem Spanier suchte. Wenig später hatte Julian die große Herberge erreicht, die gegenüber der Abtei lag. Dort hatte er noch nicht nachgefragt.
»Wir haben kein Bett mehr frei!«, sagte der Wirt, als Julian in den Gästesaal trat, der sich neben dem Schankraum befand.
»Ich suche kein Bett, ich suche zwei Freunde von mir. Vielleicht haben Sie sie gesehen?«
Der Wirt machte den Eindruck eines Mannes, der keine Zeit und keine Lust hatte, sich mit einer Suche zu befassen, die ihn nichts anging. In seinem Beruf hatte Julian jedoch gelernt, auf derlei Befindlichkeiten keine Rücksicht zu nehmen, und so beeindruckte ihn das abweisende Gesicht seines Gegenübers nicht.
»Der eine von meinen Freunden ist sehr groß und kommt von der Iberischen Halbinsel. Er müsste Ihnen aufgefallen sein, wenn er hier abgestiegen ist.«
Die schwieligen Hände, die damit beschäftigt gewesen waren, benutzte Becher von sauberen zu trennen, hielten inne.
»Nein, den habe ich nicht gesehen. Aber Sie haben Glück, Ihr anderer Freund ist hier, der hat auch schon nach ihm gefragt.«
»Ah, sehr gut! Wo ist sein Bett?«
»Er hat eine der Kammern oben. Wenn Sie die mit ihm teilen wollen, gebe ich Ihnen einen Nachlass.«
»Ja, das ließe sich vielleicht machen, welche Kammer ist es?«
»Die mit der Sonne an der Tür. Aber ich glaube nicht, dass er schon wieder zurück ist.«
Julian stieg die ausgetretenen Stufen der Holztreppe in den ersten Stock hinauf. Der Flur war eng und roch muffig. Als er die richtige Tür erreicht hatte, lauschte er erst mal, dann klopfte er an. Niemand antwortete. Er schob die Tür auf und stand in einer winzigen Kammer, die nur von innen mit einem Riegel zu verschließen war, der jedoch fehlte. Julian konnte sehen, wo eine Bretterwand eingezogen worden war, um einen größeren Raum in kleinere Kammern zu unterteilen. Wahrscheinlich würde der Wirt für diese Annehmlichkeit einen Wucherpreis verlangen. Sogar die Betten in dem großen Schlafsaal unten kosteten mehr als eine Kammer in jeder anderen Stadt, die nicht das Glück hatte, die Gebeine eines Heiligen zu beherbergen. Julian schob die Tür zu und blickte sich um. Neben dem Lager, das aus einer Strohmatratze und einer Decke bestand, lag ein ordentlich verschnürtes Bündel. Julian löste die Lederbänder und untersuchte den Inhalt. Es waren die üblichen Gegenstände eines Reisenden. Alles war von guter Qualität und auffallend neu. Zuunterst befand sich eine Lederrolle, in der ein Pergament steckte. Er war dabei, das Pergament zu entrollen, als Julian das Knarren der Tür hörte. Gerade noch rechtzeitig konnte er dem Hieb des Prügels ausweichen, der auf ihn niedersauste. Blitzschnell rollte er sich zur Seite und kam auf die Füße. In der kleinen Kammer hatte er kaum eine Möglichkeit, auszuweichen. Julian rammte seine Schulter so hart gegen die Brust des Angreifers, dass dieser nach hinten stolperte und gegen die dünne Bretterwand krachte, die splitternd nachgab. Dann warf er sich auf ihn, ehe er wieder auf die Beine kommen konnte. Verbissen kämpften die beiden Männer miteinander und drückten sich gegenseitig die Kehle zu. Julian hatte keine Hand frei, also schlug er mit seinem Kopf gegen das Nasenbein des Gegners. Für einen Moment löste sich dessen Griff. Augenblicklich hatte Julian seinen Dolch gezogen und drückte ihn an den Hals des Angreifers. Er blickte in das Gesicht eines jungen Mannes, aus dessen Mund und Nase Blut quoll.
»Wer bist du?«, keuchte er und presste die Klinge gegen die glatte Haut. Der Mann antwortete nicht.
»Wer bist du?«, wiederholte Julian. »Antworte, oder ich schlitze dir den Hals auf.«
Er sah Angst in den blauen Augen, aber die Lippen blieben weiterhin verschlossen. Das Messer schnitt in die Haut, und ein dünnes, rotes Rinnsal tropfte auf den Fußboden.
»Zum letzten Mal, wer bist du?«
»Ich würde das nicht tun, White. Es würde den Kardinal verärgern.« Julian spürte die Spitze eines Schwertes im Nacken. Er kannte die Stimme. Ungehalten schob er das Schwert zur Seite und stand auf.
»Was geht hier vor sich,
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