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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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bewahrheitet hatten. Er war ein Beamter aus einer anderen Ära, der mit den modernen Verfahrensweisen der Geheimen Kanzlei Henrys II. überfordert war. Der Kardinal hatte ihn jedoch weiter im Dienst behalten und mit einfachen Aufgaben betraut – ein Gnadenbrot. Doch jetzt war Godefroy tot, und der Kardinal forderte eine Erklärung.
    »Ich habe überhaupt keine Hinweise auf eine Verschwörung«, wiederholte Gilbert Miller zum dritten Mal. Sie drehten sich im Kreise. Julians Blick wanderte über die vertäfelte Wand hinter Miller. In der linken Ecke der Paneele war eine schmale Geheimtür versteckt. Am unteren Rand warf sie jedoch einen hauchdünnen, kurzen Schatten, der nicht zu dem verschlungenen Schnitzmuster gehören konnte. Dort hatte das Holz gearbeitet, sodass sich ein schmaler Spalt gebildet hatte. Außerdem war eine der Rauten auf halber Höhe etwas dunkler als die anderen. An dieser Stelle wurde offenbar der Mechanismus bedient, der die Tür öffnete. Durch die Benutzung hatte sich das Holz verfärbt. Wenn er eine geheime Tür in seiner Halle hätte, würde er sie nur mit Handschuhen bedienen, dachte Julian. Seine scharfe Beobachtungsgabe war vom Kardinal wiederholt gelobt worden, aber Julian konnte nicht recht auf etwas stolz sein, was für ihn selbstverständlich war. Natürlich kam ihm dieses Talent bei seiner derzeitigen Beschäftigung sehr zugute. Aber wenn er musikalisch gewesen wäre, wäre er vielleicht Barde geworden und nicht Agent des Königs von England.
    Gleich würde Adam Brentaux, ebenfalls Agent des Königs, abermals auf die Informationen vom Festland hinweisen.
    »Sollten wir nicht zumindest dem Hinweis aus Calais nachgehen? Was, wenn dieser Kurier tatsächlich nächste Woche in See stechen will? Wir müssen ihn abfangen, ehe er an Land geht.«
    Julian ritzte mit seinem Daumennagel Linien in das Holz des Tisches, an dem die fünf Männer saßen. Es würde schwierig werden, einen feindlichen Kurier zu ergreifen, von dem sie weder eine Beschreibung noch seinen Namen hatten. All das waren wilde Vermutungen ohne viel Substanz. Vielleicht war Godefroy schlichtweg das Opfer eines Raubüberfalls geworden, und dieser Informant wollte sich nur ein bisschen Geld dazuverdienen und hatte ihnen einen Bären aufgebunden. Und deshalb, weil diese beiden Dinge kurz nacheinander passiert waren, saßen sie hier nun schon seit einer Stunde herum.
    »Adam, Sie werden sich der Sache mit Godefroy annehmen. Ich erwarte bis nächste Woche erste Ergebnisse.« Der Blick des Kardinals traf auf Gilbert Miller.
    »Und Sie werden diese französische Geschichte überprüfen. Gibt es diesen Kurier, wer ist es, wann kommt er nach England, was will er hier, wer ist sein Auftraggeber, wer sind seine Verbündeten? Alles klar?«
    »Sollte nicht lieber ich der Fährte aus Calais nachgehen?«, fragte Adam Brentaux zaghaft, und auch Gilbert Miller sah alles andere als erfreut aus.
    »Nein, es bleibt so!«
    Julian betrachtete Gilbert Millers säuerlichen Gesichtsausdruck mit einem Gefühl der Genugtuung. Es war ein seltener Augenblick ausgleichender Gerechtigkeit. Miller war ein Drückeberger und wälzte gerne Aufträge auf seine Kollegen ab. So hatte er es Julian zugeschoben, in der kommenden Woche eine Mätresse des Königs sicher und unauffällig nach Devon zu bringen. Eine lästige Aufgabe, denn eigentlich musste Julian seine Ermittlungen gegen einen flüchtigen Knecht abschließen, der in London untergetaucht war. Aber die Wünsche des Königs standen natürlich über allem. Was Adam Brentaux betraf, so war es allgemein bekannt, dass er eine Geliebte in Dover hatte und jede Gelegenheit nutzte, an die Küste zu reisen. Offenbar hatte der Kardinal allmählich genug von diesen vorgeschobenen Ermittlungsreisen.
    Julians Blick wurde vom fünften Mann am Tisch, Simeon, eingefangen, der hinter seinem buschigen Bart grinste. Julians Mundwinkel zuckten ebenfalls.
    Simeon grinste immer noch, als er mit Julian wenig später den gepflasterten Hof in Richtung Stallungen überquerte.
    »Das geschieht Miller recht! Der kann jetzt schön nach einer Nadel im Heuhaufen suchen, während der Kardinal ihm im Nacken sitzt. Wer weiß, ob an der Sache überhaupt etwas dran ist.«
    »Wäre nicht das erste Mal, dass sich irgendjemand etwas ausgedacht hätte.«
    »Wann brichst du nach Devon auf?«
    »Montag.«
    »Freu dich doch, eine nette Reise in angenehmer Begleitung.«
    Julian blieb stehen und blickte seinen Freund einen Moment ausdruckslos an.

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