Das Amulett der Pilgerin - Roman
hatte zu Julian, der an der Spitze ritt, aufgeschlossen und hüstelte nervös. Das war kein gutes Zeichen.
»Was?«
»Miss Marguerite fühlt sich nicht recht wohl und möchte eine Pause machen.«
»Jetzt schon? Wir sind noch nicht einmal eine Stunde unterwegs!«
»Es ist das Schaukeln der Sänfte, das ihr Übelkeit verursacht.«
»Na, großartig.«
Julian wendete sein Pferd, ritt an den Bewaffneten vorbei zur Sänfte und dirigierte sein Pferd neben das Fenster des Tragegestells. Eine weiße Hand zog den gemusterten Vorhang beiseite und gab den Blick auf die Insassin frei. Miss Marguerite lag theatralisch zurückgelehnt in den zahlreichen Kissen. Es schien, als wenn das Öffnen des Vorhangs ihre Kräfte bereits zu übersteigen drohte. Sie war eine sehr schöne Frau von Anfang zwanzig mit goldblonden Locken und himmelblauen Augen. Ihre Haut war schneeweiß und makellos, und ihre sinnlichen Rundungen wurden durch ein enges, dunkelrotes Kleid hervorgehoben. Ihre Lippen waren zu einem koketten und meist sehr wirkungsvollen Schmollen verzogen, das Julian allerdings kaltließ. Vielmehr durchfuhr ihn der wenig schmeichelhafte Gedanke, dass Miss Marguerite so aussah, als wenn sie einmal unansehnlich fett werden würde.
»Ich wünschte, wir würden anhalten, ich kann dieses Schaukeln nicht vertragen.«
»Möchten Sie lieber reiten, Madame?«
»Nein, das ist mir zu anstrengend.«
Julian betrachtete sie und schwieg.
»Ich kann nicht mehr in dieser beengten Sänfte sitzen und durchgeschaukelt werden!«, jammerte Marguerite.
»Was schlagen Sie dann vor, Madame?«
»Das weiß ich doch nicht! Aber mir ist übel, und zu heiß ist es hier drin ebenfalls.«
Gleich würde sie zornig werden, weil er nicht auf ihre Launen einging. Er wollte sie nicht verärgern, aber es gab nichts, was er tun konnte, und seine Geduld näherte sich gefährlich dem Ende. Noch ehe sie ihm mit ihrer speziellen Beziehung zum König drohen konnte, nahm Julian ihr den Wind aus den Segeln.
»Miss Marguerite, mein Herr hat mich beauftragt, Sie nach Wildemoore zu bringen. Wenn Sie sich außerstande sehen, die Reise zu unternehmen, kehre ich selbstverständlich gerne wieder um und werde ihm das mitteilen.«
Mit einem Ruck wurde der Vorhang zugezogen, und Julian trieb sein Pferd an, um erneut seine Position an der Spitze des Trupps einzunehmen. Er hatte gehofft, sie würden es in gut vier Tagen nach Devon schaffen, aber so, wie es jetzt aussah, würden sie wohl eher fünf Tage brauchen. König Henry plante demnächst dort zu Gericht zu sitzen, und daher rotierte der Hof bereits, damit der König alles vorfände, was er brauchte, inklusive seiner derzeitigen Lieblingsmätresse. Der Kardinal hatte Julian vor Miss Marguerite gewarnt. Sie sei mannstoll, und er solle sich vorsehen, dass sie ihn nicht in Schwierigkeiten brächte. Julian hatte nicht das geringste Bedürfnis, in Marguerites wohlgerundete Arme zu fallen. Es war lange her, dass er eine Frau anziehend gefunden hatte, und diese Frau war seine eigene gewesen.
Die ersten drei Tage der Reise waren ereignislos verlaufen. Miss Marguerite hatte eingesehen, dass Julian nicht willens war, ihre Spielchen mitzuspielen, und hatte ihn in Ruhe gelassen. Mit etwas Glück würden sie morgen Henrys Gut in der Nähe von Exeter erreichen. Dann könnte er seine anstrengende Fracht wohlbehalten abliefern und sich wieder wichtigeren Dingen zuwenden, das hoffte Julian, als sie am Spätnachmittag auf den staubigen Hof einer großen Gastwirtschaft ritten. Zwei Knechte kamen angelaufen, um die Pferde zu übernehmen und das Treppchen der Sänfte auszuklappen. Julian reichte Marguerite die Hand und geleitete sie in die Halle des imposanten Holzhauses.
»Herzlich willkommen, Herrschaften, wir haben Sie schon erwartet. Bitte hier entlang.« Der Wirt, ein untersetzter Mann mit einem mächtigen schwarzen Vollbart, ging voran und öffnete die Tür zu einer privaten Gaststube. Es war ein gemütlicher Raum, mit einem gold und grün gestreiften Fußboden, und die niedrige Decke war in den gleichen Farben, aber mit einem Rautenmuster bemalt. An den Wänden hingen bunte Teppiche, und auch die Einrichtung war sehr geschmackvoll. Marguerite nahm in einem Sessel am Feuer Platz, und der Wirt reichte ihr einen Becher Wein.
»Wann darf ich das Essen servieren?«
»In einer halben Stunde«, sagte Julian. Der Wirt verbeugte sich und ging.
»Haben Sie alles, was Sie brauchen, Madame? Ihr Mädchen wird sicher gleich kommen, wenn das
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